Sero Demir sitzt nicht still. Dafür hat der Zürcher zu viel Energie, die er beim Tanzen und Modeln genauso los wird wie bei der Suche nach neuen Vintage-Teilen für seinen eigenen Vintage-Store. Was den Zürcher dazu bewegt hat, sein eigenes Mode-Mekka zu eröffnen und wie er die besten Secondhand-Schätze findet, verrät er im Interview.
FACES: Was hat dich dazu bewegt, dein eigenes Secondhand-Geschäft Love Me Two Times zu eröffnen?
Sero Demir: Ich mag Vintage-Mode. Und ich mag es, neue Dinge auszuprobieren. Mein Ziel ist es, Vintage-Mode für alle erschwinglich zu machen, insbesondere für junge Menschen mit begrenztem Budget, und dass Vintage-Mode hier in der Schweiz zugänglicher ist, wie dies auch im Ausland der Fall ist. Diese Motivation brachte mich dazu, eine viermonatige Testphase zu planen. Schließlich entschied ich mich dazu, einen eigenen Laden zu eröffnen.
FACES: Woher beziehst du die Teile für deinen Shop, und nach welchen Kriterien suchst du diese aus?
Sero Demir: Die Kleidung für meinen Shop beziehe ich aus verschiedenen Nachbarländern. Bei der Auswahl der Stücke verlasse ich mich auf meine 18-jährige Erfahrung in der Modebranche und auf mein Gespür für Mode. Bislang sind meine KundInnen sehr zufrieden mit meiner Auswahl.
FACES: Früher war Secondhand-Shopping eher was für Sparfüchse, heute boomt der Luxus-Secondhand-Markt mit teils horrenden Preisen. Wie beurteilst du diese Entwicklung?
Sero Demir: Früher war Secondhand-Shopping nicht nur etwas für Sparfüchse, sondern auch für Menschen mit einem kleinen Budget. Damals galt man als arm, wenn man Secondhand-Kleidung trug. Heutzutage ist es jedoch cool, Secondhand zu tragen. Nicht zuletzt, weil Nachhaltigkeit ein großes Thema ist. Allerdings sollte man die Preise nicht in die Höhe treiben, sondern die Wiederverwendung von Kleidung attraktiver machen und damit Gutes tun. Es ist schade, dass einige Menschen den Profit über alles andere stellen. Das finde ich bedauerlich.
Die goldenen Tipps fürs Secondhand-Shopping
FACES: Welches sind deine drei goldenen Tipps fürs Secondhand-Shopping?
Sero Demir: Erstens: Bring Zeit und Geduld mit, wenn du auf Schatzsuche gehst. Oft findet man die besten Stücke, wenn man sich Zeit nimmt. Zweitens: Probiere die Kleidung an. Nur Anschauen reicht meistens nicht aus, um zu wissen, ob etwas gut passt. Drittens: Sei mutig bei der Auswahl deiner Kleidung. Secondhand-Shopping bietet die Möglichkeit, experimentierfreudig zu sein und neue Stile auszuprobieren.
FACES: Was sind deine bestgehüteten Schätze im Kleiderschrank, und nach welchem Teil suchst du schon lange?
Sero Demir: Ich bin ziemlich unkompliziert, aber ich hege eine besondere Liebe zu meinen Lederjacken. Sie begleiten mich schon lange im Leben. Was die Suche nach außergewöhnlichen Teilen angeht: Ich suche eigentlich nicht aktiv danach, ich finde sie eher.
FACES: Wie kaufst du selbst für dich und deine Garderobe Mode ein?
Sero Demir: Durch meinen Job als Model habe ich Zugang zu den neuesten Modetrends und finde oft meine Kleidung auf diese Weise. Allerdings entdecke ich beim Einkaufen des Sortiments für meinen Laden oft Dinge, die ich dann für mich selbst behalten, anstatt sie zu verkaufen. (lacht)
Sero über Nachhaltigkeit in der Mode
FACES: Was bedeutet für dich Nachhaltigkeit in der Mode?
Sero Demir: Nachhaltigkeit in der Mode ist wichtig. Noch besser ist es, wenn man sich diese auch leisten kann.
FACES: Auf welches Mode-Greenwashing darf man auf keinen Fall hereinfallen?
Sero Demir: Man sollte sich bewusst sein, dass Greenwashing in der Modeindustrie vorkommt. Gerade deshalb ist es wichtig, Dinge kritisch zu hinterfragen und sich gut zu informieren. Bei Secondhand- und Vintage-Mode kann man sich jedoch oft sicher sein, nachhaltige Entscheidungen getroffen zu haben.
FACES: Du kennst die Modebranche in- und auswendig. Was fasziniert dich daran, und welcher Umstand bringt dich zum Nachdenken?
Sero Demir: Ich liebe Mode, weil sie Ausdruck unserer Persönlichkeit ist. Was mich nachdenklich macht, ist die Tendenz, aus allem Profit schlagen zu wollen – selbst aus dem Thema Nachhaltigkeit.
Das muss sich in der Modebranche ändern
FACES: Was muss sich in der Modebranche dringend ändern, und wie leistest du deinen Beitrag?
Sero Demir: In der Modebranche gibt es viele Aspekte, die sich verbessern müssen. Aber ich möchte nicht in die Rolle desjenigen schlüpfen, der sagt, was sich dringend ändern sollte. Ich versuche, meinen Teil beizutragen, indem ich Vintage-Mode zugänglicher mache und die Idee fördere, dass nachhaltiges Einkaufen eine positive Veränderung bewirken kann. Es geht nicht darum, fanatisch zu sein, sondern darum, mit kleinen Schritten einen bewussteren Konsum zu ermöglichen. Wenn wir alle dazu beitragen, kann das einen großen Unterschied machen.
FACES: Wie hat sich der Job des Models in den vergangenen Jahren verändert? Und beurteilst du das zum Guten oder zum Schlechten?
Sero Demir: In den vergangenen Jahren hat sich der Job erheblich verändert. Es gab eine Zeit, in der ich die Befriedigung in meinem Beruf als Model ein wenig verlor. Der Grund liegt darin, dass dank den sozialen Medien heutzutage jede und jeder meinen Job machen kann. Damit habe ich mich allerdings schnell abgefunden, man muss Veränderungen schließlich akzeptieren. Meine heutige Einstellung lautet deshalb: Don’t hate the player, hate the game. Wir müssen nicht, aber wir dürfen mitspielen – und dieses Spiel spiele ich noch immer gerne mit.
Immer im Rampenlicht
FACES: Ob als Model, als Tänzer oder als Influencer: Das Rampenlicht ist dein Zuhause! Was liebst du an der Unterhaltungsbranche und was geht dir so richtig auf den Zeiger?
Sero Demir: Als Kind hegte ich den großen Traum, auf der Bühne zu stehen und Künstler zu werden, frei zu sein und das zu machen, was ich liebe. Dieser Traum trieb mich an, und ich habe viel dafür geopfert und musste so oft unten durch, um ihn zu verwirklichen. Ich war bereit, jedes Opfer zu bringen, um erfolgreich in dem zu sein, was ich tue. Es frustriert mich manchmal, dass man heute oft als Zahl betrachtet wird und die Persönlichkeit an zweiter Stelle steht. Es geht darum, wie viele Follower du hast und wie viele Personen du erreichst; deine Persönlichkeit zählt kaum noch. Genau das ist die Schattenseite.
FACES: Ist die Unterhaltungsbranche ein dankbares Pflaster?
Sero Demir: Weder noch. (lacht) Aber schlecht ist sie ganz bestimmt nicht. Wir brauchen die Unterhaltungsbranche, denn ohne sie wäre das Leben langweiliger. Deswegen ist es auch wichtig, alle KünstlerInnen, die hart arbeiten, zu unterstützen und fair zu entlohnen.
FACES: Kennst du Lampenfieber? Und wenn ja, was tust du dagegen?
Sero Demir: Natürlich. Es gibt kein schöneres Gefühl, als wenn dein Herz vor Aufregung pocht und du nervös bist, bevor du auf die Bühne gehst. Das ist es, was dich lebendig fühlen lässt. Wenn man das nicht mehr fühlt, sollte man wohl aufhören. Ich habe immer versucht, tief durchzuatmen und zu mir selbst gesagt: „Du bist gut, du machst das großartig, du bist der Beste. Let’s go, rock it!“
Meilensteine sind dazu da, um stolz zu sein
FACES: Auf welche deiner Meilensteine bist du besonders stolz?
Sero Demir: Da gibt es einige. Doch mein wichtigster ist der Solothurner Sozialanerkennungspreis und Jugendförderpreis 2009, den ich als 21-Jähriger gewonnen habe. Zudem wurde ich als Finalist für das Sozialprojekt des Jahres im selben Jahr ausgezeichnet. Massiv stolz bin ich auch auf die vielen Meistertitel, die ich mit meinen damaligen TanzschülerInnen gewonnen habe, und darauf, dass ich vielen Jugendlichen auf ihrem Lebensweg etwas Schönes mitgeben konnte. Nicht zuletzt bin ich immens stolz darauf, meinen eigenen Weg gegangen zu sein und fest daran geglaubt zu haben, dass ich als freier Künstler leben kann.
FACES: Wann hat jemand deiner Meinung nach Stil?
Sero Demir: Jemand hat meiner Meinung nach Stil, wenn sie oder er mutig ist, sich traut und die Authentizität bewahrt.
FACES: Wo findet man dich an einem Samstag in Zürich? Und wo eher an einem Montag?
Sero Demir: An einem Samstag findet man mich in meinem Laden und am Abend vielleicht in einer Bar oder auf der Tanzfläche. Montag ist mein Bürotag, an dem ich mich um die Buchhaltung und ähnliche Dinge kümmere.
FACES: Wie beschreibst du den Stil der Zürcherinnen und Zürcher?
Sero Demir: Ich finde den Stil der Zürcherinnen und Zürcher ansprechend, aber ich denke, er könnte etwas mutiger und ausgefallener sein.
FACES: Wovon kannst du nie genug kriegen?
Sero Demir: Ich kann nie genug von Freiheit bekommen und davon, das zu tun, was ich liebe.
Love Me Two Times
Es ist die Liebe zur Mode und der Drang, in der Branche etwas zu bewegen, die Sero Demir dazu bringen, seinen eigenen Vintage-Store zu eröffnen. „Love Me Two Times“ ist ein Mekka für Secondhand-Junkies und eine Oase für jene, deren Herz beim Anblick kuratierter Mode aus vergangenen Zeit Stakkato schlägt. Gemeinsam mit Designer Silvan Borer und Architektin Nedredte Mehmedi hat Demir an der Dienerstrasse 32 in Zürich ein Universum geschaffen, in dem es sich lohnt, seine Samstage zu verbringen.
Love Me Two Times, Dienerstrasse 32, 8004 Zürich
Hier geht’s direkt zur Webseite von Love Me Two Times.
Was du mit all deinen altern Kleidern tun solltest? Wir verraten es dir hier.
Teaserfoto: © Gokhan Yorganci