(Un)bekannte Gewässer
Warum nicht?, dachte ich, als ich das Ingwer-Senf-Dressing in der Mensa-Salatbar ausprobiert hatte. Wer will schon langweilig sein und immer das Gleiche nehmen?
Kopfüber ins Unbekannte, dort werden deine Träume wahr, habe ich mal irgendwo gehört.
Nun… das Ingwer-Senf-Dressing war ein Fehler.
Dennoch erweiterte ich meinen Tinder-Account auf Männer und Frauen.
Immerhin stand ich auf Shay Mitchell (so wie jeder, der einen Puls hat), und ich mochte Frauen.
Es war interessant; bei Frauen achtete ich auf andere Dinge als bei Männern. Mit offenem Hemd auf einem Pferd zu sitzen, das war einfach lachhaft. Eine Frau, die nur in Unterwäsche Pasta isst, hatte etwas.
Lisa, 32, trug auf ihrem Anzeigebild eine Brille, die ihr etwas zu groß war.
Wir kamen schnell ins Gespräch, wir hielten uns beide für Weinkennerinnen, – man könnte sagen: Die Chemie stimmte. Noch am gleichen Abend besuchte ich sie. Es fiel mir schwer, ein passendes Outfit auszusuchen. Männer sind einfach. Ein tiefer Ausschnitt, und mein Pickel am Kinn würde nicht mehr auffallen. Doch Frauen… was gefiel ihnen? Ich war selbst eine, und ich wusste, wann eine Frau etwas Besonderes an sich hatte.
Nur… war ich auch eine von ihnen?
Nach unzähligen Bäumchen-wechsel-dich-Auftritten begleitete mich mein hellgraues H&M-Kleid aus der Basic-Reihe zu Lisas Wohnung. Sie hatte einen tollen Geschmack, nichts hätte ich an diesen drei Zimmern geändert. Wir umarmten uns und lachten beide.
„Das ist übrigens auch mein erstes Chica-Date“, sagte sie, und ich spürte, wie ich leichter wurde. Es hatte etwas Beruhigendes, dass keine Erwartungen an mich gestellt wurden. Ein Abend auf Augenhöhe.
Der Wein floss in Strömen, wir sahen alte X-Faktor-Folgen, suchten Jonathan Frakes auf Instagram und debattierten über Microblading. Lisas Kleiderschrank fiel meiner Neugier zum Opfer – die gleiche Konfektionsgröße, was für ein Zufall!
„Du kannst es behalten! Steht dir eh besser“, verkündete sie, während ihr Blick über meinen Bauch wanderte, den ich gerade zudeckte mit ihrer gelb-gepunkteten Marlene-Hose.
Ich verabschiedete mich mit einem Kuss. Immerhin war das hier ein Date.
Um es mit den Worten von Katy Perry zu beschreiben: I kissed a girl and I liked it!
Zu Hause angekommen, schminkte ich die vergangenen Stunden von meinem Gesicht.
Dabei fiel mir auf, das war das erste Date, welches meinen Freundeskreis erweitert hatte.
Ich beschloss, meinen Account nicht mehr einzuschränken.
Nicht, weil ich Angst hatte, langweilig zu sein. Weil ich es wollte.
Schreiben ist ihr Steckenpferd: Die Kölnerin Sybille Statz liebt große Romanzen genauso wie Horrorfilme, Katzen und Serien der 90er. Noch mehr von ihr gibt’s in ihren beiden Kurzromanen „Matches for Real – Das Dating-Desaster“ und „After Sunset – Korallenrot“ sowie hier zu lesen.
Was unsere Autorin Sybille Statz beim Dating so alles erlebt? Hier findest du die weitere Folgen zum Lesen, Staunen und Schmunzeln.
Text: Sybille Statz