Sein eigener Name ist bekannter als sein Gesicht: Dabei hat Thomas Sabo nach beinahe 40 Jahren als Schmuck-Patron mehr zu erzählen als die Gebrüder Grimm und Scheherazade gemeinsam. Wie sich die Zürcher Bahnhofstrasse in die Chronik der Schmuckmarke einfügt und welche Rolle eine Canon-Kamera dabei spielte, verrät uns Sabo im Interview.
Foto: Thomas Sabo
FACES: Es ist beinahe 40 Jahre her, dass Sie Ihre eigene Marke gegründet haben. Hat sich Ihre Vision von damals rückblickend erfüllt?
Thomas Sabo: Ganz zu Beginn hatte ich diese Vision natürlich noch nicht, diese hat sich dann mit dem steigenden Erfolg mitentwickelt und verändert. Heute involviert der Blick in die Zukunft noch stärker das internationale Parkett und insbesondere den asiatischen Markt, den wir noch offensiver angehen müssen.
F: Mit Asien schließt sich der Kreis, haben zahlreiche Reisen in den Osten Sie doch tatsächlich zum Schmuck und schließlich zur eigenen Marke gebracht. Wie kam es genau dazu?
TS: Als ich damals durch Asien und Sri Lanka gereist bin und in Zusammenarbeit mit Goldschmieden meine ersten eigenen Entwürfe designt habe, hatte ich die Idee der eigenen Schmuckmarke noch nicht im Kopf. Das reifte erst später, ich würde sagen, so Mitte der 90er Jahre. Davor war ich allerdings bereits in Thailand unterwegs, und weil meine Reisekasse damals schon ziemlich leer war, habe ich gar meine Canon-Kamera gegen Schmuck getauscht.
F: Was ist dann mit diesem Schmuck geschehen?
TS: Sie werden es nicht glauben, aber ich habe diesen typisch asiatischen Schmuck tatsächlich später an der Zürcher Bahnhofstrasse verkauft! (lacht) Ich kann Ihnen sogar den genauen Standort zeigen, an dem ich damals meinen Stand aufgestellt hatte – mit Genehmigung natürlich, ich war schließlich ein ganz braver Kaufmann!
F: Ihre Begeisterung für den Schmuck war damals schon riesig und ist heute sicherlich noch genauso groß. Hat sich Ihr Blick darauf allerdings mit den Jahren verändert?
TS: Das war damals eine ganz andere Welt. Die Schritte waren viel kleiner. Wir hatten damals noch mit Telex gearbeitet und sehnlichst das Faxgerät begrüßt! Ein ganz anderer Rhythmus, eine ganz andere Zeit – und auch eine andere Ruhe, die da mitschwang, sowas gibt es heute nicht mehr.
F: War es in dieser Welt und dieser Zeit einfacher, ein Unternehmen zu gründen als heute?
TS: Die Entwicklungsarbeit, die wir als Unternehmen und als Marke bis heute durchgemacht haben, ist eine ganz andere als jene, die Marken heute erleben. Wer heute auf den Zug aufspringt, hat oft vor dem eigentlichen Produkt das zugehörige Marketing im Kopf, bucht ein paar InfluencerInnen, und alle finden das toll. Das Produkt ist dabei sekundär, und nicht jeder macht seine Hausaufgaben richtig und gut, zum Beispiel was das Thema Nachhaltigkeit anbelangt. Der Zutritt ist heute über Social Media vielleicht leichter, allerdings wird damit der Sumpf auch immer größer.
„Der Zutritt ist heute über Social Media leichter, allerdings wird damit der Sumpf auch immer größer.“
F: Nachhaltigkeit ist ein gutes Stichwort. Kann Konsum denn überhaupt nachhaltig sein?
TS: Das ist eine Auslegungssache dessen, wo die Fragestellung hingeht, schließlich gibt es viele Formen von Nachhaltigkeit. Kaufe ich beispielsweise heute ein Stück, das ich über Jahre pflege, trage und liebe, dann ist das ein Paradebeispiel für einen nachhaltigen Konsum. Es nützt nichts, ein nachhaltig produziertes Teil zu kaufen, dieses ein paar Mal zu tragen und dann übermorgen wegzuschmeißen, Sie verstehen, worauf ich hinaus will.
F: Dennoch fachen Sie als Schmuckmarke mit zahlreichen Kollektionen und immer neuen Trends den schnellen Konsum zusätzlich an. Wie finden Sie da die richtige Balance?
TS: Unser Unternehmen hat sich in den vergangenen zwei Jahren sehr darauf fokussiert, zu schauen, was wir in der Vergangenheit bereits alles gemacht haben. Dieses Erbe ist uns besonders wichtig und beispielsweise auch Basis unserer Heritage-Kollektion. Dabei werfen wir unter Berücksichtigung neuer Techniken und neuer Produktionsmöglichkeiten einen frischen Blick auf das, was bereits an tollen Ideen da war.
F: Da wird sich gerade hinsichtlich der Produktion viel verändert haben!
TS: Absolut! Stellen Sie sich vor, dass wir früher tatsächlich mit Knetgummi unsere Formen hergestellt hatten. Ich bin damit dann nach Asien geflogen und habe diese Rohformen dort auf den Tisch gelegt! (lacht) Heute ist das natürlich ganz anders, aber der Prozess, solche Ideen neu aufzulegen, zu überarbeiten und ins Hier und Jetzt zu überführen, ist unglaublich spannend.
F: Muss man denn das Rad überhaupt immer wieder neu erfinden?
TS: Nein, ich glaube nicht. Das ist schnell beantwortet.
F: Sie haben früher ganz oft mit Testimonials wie beispielsweise Poppy Delevingne gearbeitet, doch solche prominenten Gesichter sind mittlerweile fast komplett aus den Kampagnen von Thomas Sabo verschwunden, ausgenommen Testimonial David Garrett. Wie kommt das?
TS: Die Begeisterung über entsprechende Testimonials ist in den vergangenen Jahren etwas abgekühlt. Dennoch habe ich zu vielen immer noch einen sehr guten Kontakt, schließlich waren das auch gute Zeiten. Allerdings haben wir uns in den vergangenen zwei Jahren sehr stark auf unseren Schmuck konzentriert und diesen im Vergleich zu den Testimonials hervorgehoben. Aber wer weiß, sag niemals nie!
F: Dafür sind Sie als Gesicht der Marke immer öfters sichtbar und geben heute mehr von sich Preis als früher. Vielleicht an diesem Tag sogar noch ein bisschen mehr: Wie wohnen Sie, Herr Sabo?
TS: Wie stellen Sie sich denn mein Zuhause vor?
F: Entweder total minimalistisch oder mit zahlreichen Souvenirs aus aller Herren Länder versehen. Was stimmt?
TS: Tatsächlich ist es eine Mischung aus beidem. (lacht) Ich finde es schön, diese Abwechslung zu haben. Wenn ich es mir so überlege, muss ich allerdings zugeben, dass ich im Wohnbereich tatsächlich etwas traditioneller bin.
F: Mit einer Kuckucksuhr an der Wand vielleicht?
TS: Da würde meine Frau Rita sofort intervenieren! (lacht) Ich würde sagen, wir haben einen moderaten, guten Stil, die ganz abgefahrenen Teile finden sie bei uns allerdings nicht.
F: Sie beweisen als Schmuck-Patron meist in Schwarz gekleidet und mit nur wenig Schmuck behangen einen sehr klassischen und puristischen Stil. Weshalb ist das so?
TS: Ich trage tatsächlich sehr wenig Schmuck, auch wenn ich die Teile, die ich mir umhänge und trage, sehr liebe.
F: Ich habe gelesen, Sie sammeln Schuhe, stimmt das?
TS: Das ist richtig, ich kaufe mir sehr gerne Schuhe und lasse mir einen Großteil davon tatsächlich anfertigen, meistens in den USA. Viele Paare habe ich allerdings noch nicht mal getragen, sondern sind irgendwo und in allen Ecken bei mir zuhause zu finden. Mein Lieblingspaar ist ein Cowboystiefel aus Wildleder mit Krokoprägung, etwas ganz Besonderes, den ich mir sogar ein zweites Mal hab anfertigen lassen.
F: Sie könnten mit der Schickeria auf Luxus-Yachten feiern und tun es dennoch nicht. Stattdessen sind Sie komplett auf dem Boden geblieben. Wie schaffen Sie das?
TS: Ich glaube, ich bin so geboren. Mein Vater hat für diese Bodenhaftung gesorgt. Natürlich habe ich auch meine Erfahrungen mit dieser Scheinwelt gemacht, mit diesen Haifischbecken, beispielsweise in der Formel 1. Mir sind meine Freunde allerdings wichtiger, auf deren ehrliche Meinung ich jederzeit zählen kann.
F: Ein sehr kritischer Blick also, wie blicken Sie denn aktuell auf die Welt und unsere Gesellschaft?
TS: Ich sehe sehr besorgt in die Zukunft. Da lauern viele Gefahren, und wir in Europa haben diese Umstände immer noch nicht erkannt und die Signale nicht verstanden. Das liegt nicht zuletzt an der sehr schlechten politischen Führung und der Bevormundung der Bürgerinnen und Bürger durch die Politik. Das Energieproblem ist nur eines, das mich den Kopf schütteln lässt. Ich bin der Überzeugung, dass wir überhaupt nicht darauf vorbereitet sind, was auf uns zukommt.
F: Was können wir als Einzelpersonen oder als Gesellschaft tun, um diese düstere Zukunft abzuwenden?
TS: Wir müssen verstehen, dass wir gemeinsam vor einigen Aufgaben stehen, die wir allerdings nicht als Bedrohung auffassen sollten, sondern als Möglichkeit, unsere Zukunft zu gestalten.
F: Gibt es auch Ratschläge an UnternehmerInnen, die Sie gerne verteilen?
TS: Schau nach links und rechts, und versuch stets, mit dem richtigen Blick und genug Empathie nach vorne zu schauen.