Blumen im Kopf, Zucker im Herzen. Sophia Stolz kreiert aus Butter, Zucker und Mehl Kuchen und Torten,
die mehr sind als süße Sünden. Für den Gabentisch sind ihre Kreationen fast zu schade, aber wie wär’s
mit der Museumsvitrine?
FACES: Wer hat dir das Backen beigebracht, und hattest du schon immer den Traum, damit dein Geld zu verdienen?
Sophia Stolz: Niemand. Ich habe im Alter von 15 Jahren die Liebe zum Backen entdeckt. Damals wurde ich sehr gemobbt und war oft alleine, was mir allerdings wiederum viel Freizeit bescherte. Durch Zufall entdeckte ich dann das Backen für mich, und ich habe damit begonnen, jeden Tag Rezepte und Kochbücher auswendig zu lernen. Es war nie mein Ziel, damit Geld zu verdienen. Was ich wollte, waren Geschichten zu erzählen und Essen neu zu interpretieren. Kuchen, Torten, Brot – das alles ist einfach mehr als eine Energiequelle. Als ich damals startete, war die Akzeptanz für Essen als Kunst- oder Luxusprodukt noch zu wenig vorhanden, und alle dachten, ich spinne.
F: Mit welchem Gebäck verbindest du am meisten Emotionen?
Sophia Stolz: Mit Butterbrot. Ich war nie eine große Naschkatze, sondern beim Essen sehr heikel. Gab es zuhause nicht das zu essen, was ich essen wollte, so bekam ich stattdessen ein Butterbrot oder Nudeln mit Butter. Wenn ich so darüber nachdenke, ist vielleicht sogar Butter die emotionale Komponente. (lacht) Die ist schließlich auch die von mir am häufigsten benutzte Zutat.
Surreale Kuchenkreationen und sündige Eyecatcher
F: Einige deiner Kuchenkreationen wirken surreal. Wie kommst du auf derart abstrakte Ideen?
Sophia Stolz: Für mich ist Essen Kunst, wobei ich den Faktor des Essens als komplett nebensächlich empfinde. Mich faszinieren die Vergänglichkeit von Lebensmitteln und die Momente, in denen Torten zum Einsatz kommen. Die Erinnerungen, die davon schlussendlich bleiben, die Haptik von Lebensmitteln, deren Einfachheit und Banalität und aus all dem Kunst zu machen, interessiert mich. Ich teste dabei gerne meine Grenzen aus und schaue, wie weit ich gehen kann. Mit Essen spielt man nicht – oder eben doch? Meine Ideen sind extrem von meiner Stimmung abhängig, wobei ich die meiste Inspiration aus der Mode, aus der Kunst und aus irgendwelchen Bildern in meinem Kopf ziehe. Ich weiß nie, wie meine finalen Produkte aussehen werden, weil ich während des Prozesses oft die besten Ideen habe.
F: Deine Kuchen sind besondere Eyecatcher – sind sie auch geschmacklich so exotisch?
Sophia Stolz: Nicht wirklich. Meine Kuchen sind sicherlich geschmackliche Einzelstücke, aber nur deshalb, weil ich keinen Rezepten folge, sondern einfach experimentiere.
F: Welche deiner bisherigen Kreationen ist dein Favorit und welcher dein größter Albtraum?
Sophia Stolz: Meine Kuchen sind wie meine Babys. Meine Favoriten ändern sich von Tag zu Tag, aber mein Piercing Cake oder die Torten, die ich für Home in Heven kreiert habe, sind aktuell meine liebsten. Mir gefällt alles, was ich backe und entwerfe, und ich würde keine Konzepte umsetzen, die mir nicht zusagen oder mich nicht überzeugen.
F: Wie entstehen deine Designs?
Sophia Stolz: Ich bin eigentlich sehr stur und nehme deshalb fast keinen Input von außen an – natürlich abgesehen vom Anlass, dem Rahmen und den Farbwelten. Die meisten meiner KundInnen lassen mir freie Hand, aber hat jemand genaue Vorstellungen, so binde ich diese natürlich als Inspirationen mit ein.
Zu schön zum Essen?
F: Isst du die Kuchen nach dem Backen auch, oder sind sie dir dafür zu schade?
Sophia Stolz: Nein, eigentlich esse ich diese nie. Tatsächlich mag ich Kuchen zum Essen nicht besonders. (lacht)
F: Was ist beim Backen und Dekorieren die größte Herausforderung?
Sophia Stolz: Der Kühlschrank! Alles ist davon abhängig und von der Kühlung generell. Viele Menschen glauben, der Ofen stelle die Herausforderung dar, aber tatsächlich entstehen die meisten Probleme wegen des Kühlschranks.
F: Inneres oder Äußeres, Geschmack vs. Optik: Was ist dir bei deinen Kreationen wichtiger?
Sophia Stolz: Natürlich möchte ich, dass meine Kuchen schmecken, aber die Optik geht ganz klar vor. Das ist ein Grund, weshalb ich mittlerweile auch Forever Cakes gestalte, Kuchen-Skulpturen, die ein Leben lang halten, ohne dass man sie tatsächlich essen muss.
Mit oder ohne Rezept – Hauptsache lecker!
F: Gibt es ein Rezept, an das du dich noch nicht herangewagt hast?
Sophia Stolz: Ja, da gibt es sehr viele. Ich bin ja schließlich auch kein Patissier.
F: Was war dein bisher größter Backunfall? Was ist dabei schief gelaufen?
Sophia Stolz: Bisher haben mir stets die Kühlschränke einen Strich durch die Rechnung gemacht.
F: Welches Rezept kannst du im Schlaf?
Sophia Stolz: Schokokuchen.
Sophia Stolz – Jungunternehmerin mit einer Vision
F: Du bist 28 Jahre alt und führst dein eigenes Unternehmen. Wie musstest du dich auf deinem Weg beweisen?
Sophia Stolz: Ich habe einfach immer nur gearbeitet, nie nach links oder rechts geblickt und stets stur gerade aus weitergemacht. Ich kenne nur dieses selbstständige Arbeiten und möchte mich darüber auch gar nicht beschweren. Ich glaube, dass man sich in jedem Job und im Rahmen jeder Karriere immer beweisen und stets an seine Grenzen kommen muss, damit man lernt, wie es weitergeht.
F: Einige deiner Designs sind Luxusbrands gewidmet. Wie sind derartige Kollaborationen zustande gekommen?
Sophia Stolz: Das frage ich mich auch immer. (lacht) Ich glaube, das habe ich alles Instagram zu verdanken.
F: Hättest du deine Kuchen lieber in einer Konditorei- oder Museumsvitrine ausgestellt?
Sophia Stolz: Ich wollte und will keine Konditorei führen. Das Museum ist ganz klar mein Ding, auch wenn ich davor riesigen Respekt habe. Am liebsten würde ich noch absurder, abstrakter und größer arbeiten. Allerdings bin ich weder ein guter Team Player noch ein guter Boss – das ist der Grund, weshalb ich alles alleine mache.
Auf einen Schwatz mit Ryan Gosling und Vito Schnabel
F: Wenn du einer Person deiner Wahl einen Statement-Kuchen backen dürftest, wer wäre das?
Sophia Stolz: Ich würde liebend gerne eine Installation für die Design Week in Mailand realisieren. Ansonsten würde ich gerne für Ryan Gosling oder Vito Schnabel backen – hauptsächlich allerdings deshalb, um die beiden persönlich kennen zu lernen. (lacht)
F: Du hast Verträge mit großen Firmen abgelehnt, um selbständig zu bleiben. Welche Reaktionen hast du darauf bekommen, und hat sich deine Entscheidung bewährt?
Sophia Stolz: Diese Herangehensweise hat sich bewährt. Die Reaktionen auf meine Absagen waren stets überrascht, aber ganz nett und cool. I don’t wanna scale, ich möchte lieber noch verrückter werden, noch mehr Grenzen austesten und keine Masse machen.
F: Was tust du gegen einen Zuckerschock?
Sophia Stolz: Mein Motto: Don’t get high on your own supply.
Sophia Agnelia Anita Stolz
Anstatt als angehende Zahnärztin gegen Karies zu kämpfen, kurbelt Sophia Stolz als Cake Artist und Food Stylistin das Mundhygiene-Business erst richtig an. 2013 postet sie ihre erste Torte auf Instagram und zieht damit schnell dicke Fischer wie Chanel, Fendi, Miu Miu oder Netflix an Land. Ihre Kreationen sind mehr Kunst als Kuchen und vielleicht gerade deshalb so faszinierend.
Folge der lieben Sophia auf Instagram und entdecke dort ihre zuckrigen Kreationen.
Simon Lohmeyer ist genauso kreativ wie Sophia Stolz. Hier liest du unser Interview mit dem Münchner Fotografen, der aktuell gerade auf Weltreise in seinem Bulli unterwegs ist.
Teaserfoto: © Sasha Ernst
Fotos: © Sophia Stolz