William Fan schwingt die Fahne für nachhaltiges Unisex-Design ohne Saisonzwang und Trenddruck und macht damit den Großen vor, wie Mode gehen muss. Mit seinem eigenen Label setzt der junge Berliner Designer ein Zeichen – und macht anderen Mut, es ihm gleich zu tun.
FACES: Wie lautet die wichtigste Lektion, die du während deiner Arbeit bei Alexander McQueen gelernt hast?
William Fan: Meine Zeit bei Alexander McQueen hat mich gelehrt, ohne Kompromisse an einem visuellen Ausdruck zu arbeiten. Ich habe Zugang zu einer besonderen Infrastruktur bekommen, die mir in jungen Jahren die Welt der Luxusindustrie eröffnet hat. Es war eine sehr intensive Periode meines Lebens mit vielen einmaligen Momenten.
F: Du designst genderlos und über die Grenzen verschiedener Saisons hinaus. Was ist dabei die größte Herausforderung?
WF: Diese Art des Entwerfens ist für mich sehr natürlich, weshalb ich persönlich keine großen Herausforderungen sehe – außer, dass KundInnen oft in binären Strukturen und saisonal denken. Die meisten öffnen sich aber sehr schnell und erkennen die daraus resultierende Beständigkeit und Ruhe. Design sollte kein Geschlecht haben, und wir lösen viele Dinge mit der richtigen Passform für die diversesten Körpertypen.
Ohne Gender-, Saison- und Trendetikett
F: Was ist der Grund, weshalb du deine Kollektionen ohne Gender- und Saisonetikett entwirfst?
WF: Mir gefällt die Idee von einem Design, das beliebig adaptiert und interpretiert werden kann, ohne sich dabei von Trends oder Kategorisierungen ablenken zu lassen. So verkaufen wir nach acht Jahren immer noch Produkte aus der ersten Kollektion zusammen mit solchen aus der aktuellsten. Ich investiere gerne viel Zeit in funktionierendes Design und entwickle dieses von Kollektion zu Kollektion weiter. Es ist mir wichtig, immer wieder kritisch auf bestehende Details zu blicken und sie der Zeit anzupassen. Das gelernte System in getrennten Abteilungen einzukaufen oder den Verlust an Wert eines Kleidungsstücks nach einer beendeten Saison finde ich mehr als kritisch. Beides gehört meiner Meinung nach nicht mehr in die heutige Zeit und sollte für die ganze Branche überdacht werden.
F: Brauchen wir überhaupt noch dieses typische Trenddenken?
WF: In meinen Augen gibt es heute viel mehr parallele Modeströmungen als einen konkreten Trendgedanken. Daraus entstehen verschiedene Schwingungen, denen der Mainstream dann folgt. Die Zeiten von klaren Bildern wie im 20. Jahrhundert, als man die Jahrzehnte visuell klar voneinander trennen konnte, sind vorbei. Ich empfinde Trends als nicht nachhaltig, weil sie per se so aufgebaut sind, schnelllebig zu sein und mit Garantie auch schnell wieder verschwinden werden. Ein Trend ist wie Fast Food: eine schnelle Befriedigung mit wenig Inhaltsstoffen.
F: Mit welchen Ansprüchen im Kopf suchst du die Materialien für deine Kollektionen aus?
WF: Materialien müssen für mich immer ein wohliges Gefühl auslösen und natürlich perfekt mit dem jeweiligen Schnitt funktionieren, damit dieser ideal fällt. Spannend finde ich auch befremdliche Stoffe aus der Möbelindustrie oder der Sportswear in Ready-to-Wear zu verarbeiten. Meine Kollektionen sind vor allem gefüllt von klassischen bzw. natürlichen Materialien wie Seide, Kaschmir und Wolle. Jedoch bin ich auch Fan von technologischen Materialien, wenn sie eine besondere Funktion oder ein neues Bild mitbringen.
F: Was ist in Sachen Mode typisch William Fan? Und was ist für dich persönlich besonders typisch?
WF: Wenn derselbe Look unabhängig von Geschlecht und Alter auf verschiedensten Personen funktioniert, ohne dabei nach Verkleidung auszusehen. Produkte, die in sich schlüssig und subtil sind und kollektionsweise aufeinander aufbauen, und der Austausch zwischen deutscher und chinesischer Kultur, sind Dinge, die für mich und die Marke wohl typisch sind. Ich bin immer auf der Suche nach einer Balance, die sich sinnhaft anfühlen muss.
Über Models und hohe Hürden
F: Weshalb castest du deine Models auf der Straße, und wie gehst du dabei vor?
WF: Über die Jahre haben wir einen geschärften Blick für unser Casting bekommen und lieben es, neue Gesichter zu entdecken. Dabei ist es ein spontaner Moment und Impuls, indem wir entscheiden, ob jemand passt oder nicht. Ein besonderer Ausdruck, eine besondere Haltung oder eine besonders offene Art sind oft ausschlaggebend, dass mich ein Mensch berührt. Mit Streetcast-Models können wir ein selbstbestimmtes Casting kreieren, ohne dabei auf klassische Agenturen angewiesen zu sein.
F: Wie haben sich die Anforderungen an Models in den vergangenen Jahren verändert?
WF: Das Bewusstsein über die Wichtigkeit eines vielfältigen Castings für die Gesellschaft ist deutlich gestiegen. Dabei wird das klassische Schönheitsideal aufgebrochen und das Spektrum für Andersartigkeit erweitert. Das Bild wird zum einen Teil realer, zum anderen surreal. Es ist wie bei den Trends: Es gibt viele parallele Strömungen, die miteinander existieren. Natürliche und unnatürliche Schönheitsideale haben wahrscheinlich noch nie so stark in Kontrast zueinander miteinander existiert.
F: Wie schwierig ist es, als Designer auf dem weltweiten Parkett mitzuspielen?
WF: Trotz dieser lokalen Bekanntheit, aber ohne großes Netzwerk, die internationale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ist ein schwieriger Schritt. Wir glauben an natürlichen und gesunden Wachstum und verfügen jetzt schon über ein internationales KundInnen-Netzwerk. Ich glaube an das richtige Timing und an ehrlich gewachsene Verbindungen.
F: Welche Hürden sind aktuell deine höchsten?
WF: Den Übergang vom Jungdesigner zum etablierten Label zu schaffen, ist gerade eine große Herausforderung. Einerseits wachsen zu wollen und gleichzeitig seinen eigenen Rhythmus zu finden, das ist der aktuelle Fokus.
F: Wie geht man als DesignerIn mit Inspirationen, beispielsweise aus anderen Kulturen, richtig um?
WF: Inspiration sollte in meinen Augen immer mit einem persönlichen und inhaltlichen Bezug, wie den eigenen Wurzeln, behandelt werden und nicht ausschließlich der Ästhetik wegen. Persönlich zu arbeiten, erscheint mir dabei am authentischsten. Das Bewusstsein und der Respekt für andere Kulturen sind dabei wichtig. Es ist kein Buffet, das allen zusteht. Viele Details und Muster, die schön und „exotisch“ wirken, sind oft mit Unterdrückung, Religion und Diskriminierung behaftet. Wer nicht die richtige Note trifft, kann sehr verletzend und ignorant einer Kultur gegenüber sein.
Nachhaltige Produktion und der richtige Mode-Konsum
F: Deine Kollektionen lässt du in China und Hongkong produzieren. Was macht eine gute Produktionsstätte aus, und wie schwierig war es, diese zu finden?
WF: Mittlerweile produzieren wir auch in einigen Produktionsstätten in Italien und Deutschland. Alle Produktionen sind kleinere Familienbetriebe, mit denen wir in ständigem Austausch stehen. Dabei finden wir diese immer über persönliche Kontakte, was natürlich einen Vertrauensvorschuss voraussetzt. Ein gleiches Verständnis für Qualität muss als Basis gegeben sein. Das Spannendste ist, ob man gemeinsam eine Sprache entwickeln kann.
F: Wie sollte man Mode richtig konsumieren?
WF: Man sollte immer einen Überblick über seinen Kleiderschrank bewahren und nicht zu viel anschaffen. Jedes Kleidungsstück muss in mir persönlich etwas auslösen, ansonsten trenne ich mich davon.
F: Deine Kollektionen sind sofort erhältlich, sobald du sie auf dem Laufsteg gezeigt hast. Weshalb machst du das?
WF: Wir stellen immer wieder fest, dass unsere KundInnen nicht mehr ein halbes Jahr warten möchten, bis die Kollektion verfügbar ist, was sicher auch eine Auswirkung des schneller werdenden technologischen Wandels ist. Das Konsumverhalten wird vor allem durch Social Media stark beeinflusst und möchte idealerweise „instant“ befriedigt werden. Das verkörperte Gefühl der Runway Show kann durch See-Now-Buy-Now unmittelbar zugänglich gemacht werden.
See-Now-Buy-Now und dessen Herausforderungen
F: Was ist die Herausforderung für dich an See-Now-Buy-Now?
WF: Die Kollektionen werden ein ganzes Jahr vorher entworfen. Der Blick richtet sich deshalb noch weiter in die Zukunft und die Herausforderung ist es, eine gute Einschätzung für den zukünftigen Markt zu haben.
F: Was verändert sich für dich hinsichtlich der Planung deiner Kollektionen mit diesem Konzept?
WF: Für die Umstellung müssen einmal zwei Kollektionen gleichzeitig fertig werden. Zudem muss die Produktion jedes Mal rechtzeitig vor der Präsentation ankommen, damit das Konzept aufgeht. Das ist für ein kleines Team durchaus herausfordernd.
F: Was ist das Schwierige daran, See-Now-Buy-Now langfristig umzusetzen, und worin liegen die Vorteile?
WF: Ich arbeite gerne bis zum letzten Moment an der Kollektion, was durch das Konzept von See-Now-Buy-Now entfällt. Das ist für mich eine große Umstellung. Der Impuls, der von der Präsentation ausgeht, kann dadurch aber viel intensiver ausgeschöpft werden. Wir probieren gerne neue Konzepte aus. Wir werden sehen, wie sich dieses Modell für uns in den nächsten Saisons entwickeln wird.
F: Du entwirfst neben Mode auch Möbelstücke. Was ist schwieriger und weshalb?
WF: Möbel sind für mich persönlich schwieriger, weil mir die handwerklichen Kenntnisse dazu fehlen. Mode lässt sich für mich deutlich schneller, theoretisch auch durch meine eigenen Hände, umsetzen, da ich darin ausgebildet bin.
So wohnt William Fan in Berlin
F: Von Möbeln zur Wohnung: Wie wohnst du?
WF: Ich wohne noch in meiner Studentenwohnung, deren Räume sich über die Jahre hinweg mit mir verändert haben. Sie befindet sich fußläufig zum Studio, was ich besonders genieße.
F: Welches ist deine liebste Ecke in deiner Wohnung?
WF: Auf meinem Sofa bin ich definitiv am liebsten. Nach einem langen Arbeitstag kann ich hier bei einer Schallplatte oder einem guten Film am besten abschalten.
F: Welche Stadt inspiriert dich und weshalb?
WF: Die Städte rund um Venedig inspirieren mich mit ihren alten Stadtstrukturen aktuell sehr. Dort liegen auch meine Produktionen, in deren kreativem Umfeld mir viele Ideen kommen. Padua ist beispielsweise eine große Entdeckung.
F: Was ist das Tollste an Berlin, und was nervt dich an der Stadt und ihren BewohnerInnen am meisten?
WF: Die Weitläufigkeit und Größe finde ich an Berlin attraktiv. Durch die vielfältigen Stadtteile gibt es immer etwas Neues zu entdecken. In Berlin steckt unglaublich viel Geschichte, und die Stadt ist mit ihrer Vergangenheit aktueller denn je. Die vielen kulturellen Events wie Fashion Week, Gallery Weekend oder die Berlinale sind wichtige Impulsgeber für die künstlerische Branche. Ich wünschte mir manchmal, dass der Stadt und ihrer Umwelt etwas mehr Achtung getragen werden würde.
Luxus, Gönnung und freie Tage
F: Was bedeutet Luxus für dich?
WF: Luxus bedeutet für mich, in einer Demokratie zu leben.
F: Was gönnst du dir?
WF: Ich gönne mir gerne gute Cocktails. Die besten gibt es in der Victoria Bar.
F: Was tust du an deinem freien Tag?
WF: Ich gehe spazieren und entdecke am liebsten neue Straßen.
F: Wie malst du dir die Zukunft aus?
WF: Ich hoffe, ich darf meinen Beruf so lange wie möglich weiter ausführen, meine Visionen verwirklichen und mit meinem Team gemeinsam wachsen.
William Fan
Früher war das WG-Zimmer sein Showroom, heute hat William Fan sein eigenes Studio. Die Studentenwohnung ist geblieben, der Erfolg gekommen, denn der Berliner Designer schafft es, nachhaltiges Business und Mode zusammenzufügen. So setzt Fan nicht nur auf See-Now-Buy-Now und Unisex-Kollektionen, sondern auch auf saisonfreie Kleidung, die stets untereinander und mit früheren Entwürfen kombiniert werden kann – und soll! Das Nähen hat William Fan von seiner Mutter gelernt, das Design-Handwerk im Studium. Und das Talent? Nun, das hat der Berliner seit jeher im Blut. Mut übrigens ebenfalls, hat doch seine Anfrage an die Verantwortlichen der Berlin Fashion Week nach dem Studium direkt zu seiner ersten großen Modenschau geführt – und zum Startschuss seiner Karriere.
williamfan.com
Die besten Orte in Berlin verraten dir die Models Alessa und Anna Winter hier.
Teaserfoto & Kampagnen-Fotos: © Prissilya Junewin
Portraitfoto: Detlef Eden