Dias mio!
„Du brauchst einen ehrgeizigen Mann, Liebchen! Einen mit Biss“, trichterte meine Mutter mir ein. Das veranlasste mich in den Zwanzigern dazu, ihr jedes Exemplar Lebenskünstler vorzustellen: Musiker, Autodidakten mit einem Stapel unfertiger Drehbücher im Keller, unter Verfolgungszwang leidende Kiffer, kameralose Fotografen. Mein 32-jähriges Ich dagegen erwog, sich diese 50er-Jahre-Attitüde zu Gemüte zu führen.
Also sagte ich „Freu mich!“ zu Ben, 38. Ein Herzchirurg sollte mir den Samstagabend versüßen.
Seine Wohnung war… erwachsen. Aber nicht auf die spießige Art. Immerhin besaß er einen Bartisch, auf dem mehr stand als eine halb leere Wodkaflasche der Lidl-Hausmarke.
Wir tranken Limoncello, heuchelten echtes Interesse, und ich erwischte mich dabei, wie ich anfing, mich wohl zu fühlen.
„Ich zeig dir was Cooles!“
Ben verdunkelte die Fenster.
Mir hätte mulmig werden sollen. In der Wohnung eines Mannes, der Zugang zu Skalpellen und K.O.-Tropfen hatte. Doch kein Anflug von Zweifeln erreichte mich. Selbstvergessen ließ ich mich in seinen Arm fallen.
„Hab nämlich ein paar Dias. War letztes Jahr in Spanien.“
Er präsentierte traumhaft schöne Sonnenuntergänge, die auf eine Postkarte gehörten.
„Ups! Meine Ex“, brachte er heraus, kurz nachdem er mir diese blonden, schonungslosen 1 Meter 75 vorsetzte. Ineinandergeschlungen standen sie vor einer Plantage.
„Hübsch“, hörte ich mich sagen, weil mir nichts Besseres einfiel.
„Viel zu dünn! Ich mag Frauen, an denen was dran ist.“
Ich wusste nicht, wie ich dieses Kompliment finden sollte, entschied jedoch, das zu einem anderen Zeitpunkt zu beurteilen.
„Warum Ex?“, fragte ich und schob meine Neugier innerlich auf die Wirkung meines Drinks.
„Ach“, sagte er und winkte ab. „Sie war sehr verbissen. Ich verdiente genug für uns beide, aber sie wollte weiterarbeiten und einen auf Karrierefrau machen.“
Luftgänsefüßchen.
Ich hatte von dieser Sorte Mann gehört, war ihr bis dahin nur selbst nie begegnet. Er brauchte ein Heimchen. Aufgehübscht und nichts anderes zu tun, als auf ihn zu warten. Selbstverwirklichung – tabu!
Ich dachte nach. Steckte in dieser Offerte irgendwas Attraktives? Zugegeben, ich hatte Jura nur studiert, um die Miete zu zahlen. Ein Sechser im Lotto würde mir ein Leben im Kimono vergönnen. Doch das wäre immer noch meine Wahl, mein Leben.
Sein Arm auf meiner Schulter fühlte sich plötzlich sehr schwer an. Als ich im Uber saß, dachte ich: Nein, Mütter wissen nicht immer alles besser.
Schreiben ist ihr Steckenpferd: Die Kölnerin Sybille Statz liebt große Romanzen genauso wie Horrorfilme, Katzen und Serien der 90er. Noch mehr von ihr gibt’s in ihren beiden Kurzromanen „Matches for Real – Das Dating-Desaster“ und „After Sunset – Korallenrot“ sowie hier zu lesen.
Was unsere Autorin Sybille Statz beim Dating so alles erlebt? Hier findest du die weitere Folgen zum Lesen, Staunen und Schmunzeln.
Text: Sybille Statz