„Ich lese nicht!“
Ich zog meine guten Schuhe an. Pumps – Zalando Outlet.
Till, 32, irgendwas mit IT, wollte mich mit dem Auto abholen, was mich zur Kalkulation veranlasste, wenige Schritte gehen zu müssen. Sicherheitshalber stopfte ich meine biegsamsten Ballerinas in meine Handtasche.
Unser Match lag achtzehn Tage auf Eis. Mich befiel die Sorge, es würde umschlagen wie saure Milch. Doch dann machte Till ein Date aus. Er fragte mich ohne Umschweife. So als wollte er seine anfängliche Untätigkeit aufwiegen.
„Wollen wir vorher noch auf einen Sprung bei meiner Ma vorbei? Sie wohnt gleich um die Ecke“, sagte er, während ich mich dafür verdammte, ausgerechnet diesen Treffpunkt unter unbegrenzten Möglichkeiten bestimmt zu haben.
Gut, dachte ich. Er will dir seine Mutter vorstellen. Anscheinend ist es unmöglich, etwas zwischen Dick-Pic-Hagel und Generalprobe Schwiegermutter in spe zu finden. Ich stimmte zu, mimte die Aufgeschlossene.
„Du hast was zwischen den Zähnen“, begrüßte mich eine Frau in den Sechzigern, mit dem Zeigefinger vor meinem Gesicht herumfuchtelnd.
„Nein, das ist… eine Lücke“, erwiderte ich devot.
Till lachte wie eine Hyäne, das Eis war gebrochen, und ich vermisste meinen Ex (seine Mutter lebte in Lettland, ich lernte sie nie kennen).
Tills Mutter hatte ein Gesicht, das mich nervös machte. Die aufgerissenen Augen, die Haut, die an ein zu heiß gewaschenes Frottee-Handtuch erinnerte. Ich erwischte mich dabei, wie ich in Tills Gesicht nach physiognomischen Ähnlichkeiten suchte, schämte mich dann aber recht schnell für meine Oberflächlichkeit.
Sie. Hasste. Mich.
Ich verschwieg sogar die Gelegenheitsraucherin, hörte mich etwas von korrekter Mülltrennung faseln. Nichts. Selbst die schweren Geschütze ließen sie unbeeindruckt. Mein Juraexamen, das ich für etwas Gutes einsetzen wollte, prallte an ihr ab wie ein billiger Selbstbräuner.
Sie verwandelte mich mit ihren Blicken in Konfetti, und ich verstand. Der Grund für Tills Single-Status saß direkt vor mir.
Ich sah mich von außen und kam nicht umhin, mich zu fragen: Warum? Warum verbiegst du dich für einen Typen, den du nicht einmal kennst? Ein letzter Versuch, den Abend zu überstehen, stellte ich die unverfänglichste aller Fragen:
„Wer ist Ihr Lieblingsautor?“
„Ich lese nicht!“
Till hatte diese So-ist-sie-nunmal-Miene aufgesetzt und mir war schlagartig klar:
Das hast du nicht nötig.
Die altbewährten unverhofften Kopfschmerzen entbanden mich. Ein Glück, hatte ich mein Ersatzpaar Schuhe eingepackt, das mich Single as fuck nach Hause brachte.
Schreiben ist ihr Steckenpferd: Die Kölnerin Sybille Statz liebt große Romanzen genauso wie Horrorfilme, Katzen und Serien der 90er. Noch mehr von ihr gibt’s in ihren beiden Kurzromanen „Matches for Real – Das Dating-Desaster“ und „After Sunset – Korallenrot“ sowie hier zu lesen.
Was unsere Autorin Sybille Statz beim Dating so alles erlebt? Hier findest du die weitere Folgen zum Lesen, Staunen und Schmunzeln.
Text: Sybille Statz