Don’t! Feed! The! Cat!
Die Zwanziger haben genau einen Selbstzweck: Dummheiten zu zerstäuben. Erwachsenwerden, Lektionen lernen, Verantwortung übernehmen – das lässt sich auch in die Dreißiger verschieben.
Toni, 22, erlaubte mir, mein Alter einen Abend lang zu verdrängen. Wir trafen uns zwei Tage nach dem Match. Ich steckte meinen Körper in ein Outfit, in dem ich unmöglich ernst genommen werden konnte. Freizügig und gewagt!
Von vornherein parkte ich unser Treffen auf dem Nichts-Ernstes-Gleis. Woran lag es? Vielleicht wollte ich Tonis beste Zeit nicht zu lange beanspruchen, sie nicht mit meinem Zynismus vergiften. Sich mit einem Jüngeren einzulassen, hat was für sich: Die Gespräche sind unbeschwert, es ist zulässig, nicht über die Zukunft und ungesicherte Rentenansprüche nachzugrübeln, und das Thema Nachwuchs wird nicht mal erwogen – es ist sogar strengstens verboten.
Er wohnte gleich über einer Bar, was einige Vorteile hatte.
Nach vielen durchsichtigen Getränken torkelten wir die Stufen hoch zu seinem Apartment. Die ganzen achtundsechzig.
Er legte irgendeine Platte auf, um mich zu beeindrucken (funktionierte leider) und um mir zu beweisen, dass sein Plattenspieler nicht nur Möchtegern-Retro-Dekoration ist. Ich lauschte der Musik und bewegte mich mit geschlossenen Augen zum Takt. Unglaublich bescheuert muss das ausgesehen haben. Was mir in dem Moment egal war.
Toni umarmte mich. Ich wurde lange nicht mehr ohne Anlass umarmt; nur zu Begrüßung, zum Abschied oder wenn ich weinte. Es war schön. Er küsste mich, und ich vergaß alles um uns herum.
„Ich hol uns ein Wasser“, sagte er und deutete auf das Sofa hinter mir. Ich ließ mich auf das rote Polster fallen und wurde unversehens nüchtern.
Das giftgrüne Augenpaar starrte mich direkt an. Eine Katze, die ebenso gut ein Wombat hätte sein können. Mit den Maßen aus einer zwielichtigen Laborzüchtung. Einfach gigantisch, einfach abstoßend. Das arme Tier war so fett, dass es nicht mehr für seine Hygiene einstehen konnte. Toni überfütterte sie. Es war ihm egal, dass ihr Fell stank und er sie hilflos machte. Vermutlich war ihm alles egal.
Zweimal kippte sie um wie ein Kegel bei dem Versuch, sich zu putzen. Diese traurige Vorstellung hätte ich so gerne nicht gesehen.
Ich zog mein unangemessenes Kleid bis zu den Knien runter. Die Wohlfühlzone hatte mir den Laufpass erteilt. Es ist albern, doch manchmal macht ein kleiner Moment, der nicht einmal was mit dir zu tun hat, den Unterschied.
Ich kam, ich sah, ich verschwand. Zurück in meine Dreißiger.
Schreiben ist ihr Steckenpferd: Die Kölnerin Sybille Statz liebt große Romanzen genauso wie Horrorfilme, Katzen und Serien der 90er. Noch mehr von ihr gibt’s in ihren beiden Kurzromanen „Matches for Real – Das Dating-Desaster“ und „After Sunset – Korallenrot“ sowie hier zu lesen.
Was unsere Autorin Sybille Statz beim Dating so alles erlebt? Hier findest du die weitere Folgen zum Lesen, Staunen und Schmunzeln.
Text: Sybille Statz