Hinter der Mode und den Interieur-Gegenständen von TAUTA stecken Heimat und Herzblut. Es sind traditionell geflochtene Fächer, bunte Körbe oder mit Perlen verzierte Clutches und Armbänder, mit denen die Zürcherin María Lorez ein Stück Kolumbien in die Schweiz bringt.
FACES: Wie entstand dein Label TAUTA?
María Lorez: Aus dem Heimweh und der Sehnsucht nach meinem Geburtsland Kolumbien. Die Idee, kolumbianisches Design nach Europa zu bringen, hatten meine Mutter und ich schon lange. Als ich mit meinem ersten Sohn schwanger war, wusste ich, dass der Moment gekommen war, mich selbständig zu machen und nach meinen Wurzeln zu suchen.
F: Was war dein erstes Produkt, das du für TAUTA realisiert hast?
ML: Servietten mit Flora- und Fauna-Stickereien.
F: Welcher Moment hat alles verändert?
ML: Da gab es einige. Zum Beispiel, als mir einer unserer Handwerker sehr stolz erzählte, dass er seinen Sohn zur Universität schicken könne, weil er durch seine Arbeit bei TAUTA das benötigte Geld zusammengespart hätte. Es berührte mich sehr, zu wissen, dass wir das Richtige machen. Ebenso machten mir zwei Begegnungen Mut, so weiter zu machen. Die eine war ziemlich am Anfang, als ich an der ersten Messe Maison&Objet in Paris teilnahm. Plötzlich stand eine zierliche blonde Frau vor mir und meinte, meine Produkte stünden heraus und hätten das gewisse Etwas, ich solle mich doch bei ihrer Assistentin melden, wir müssten etwas zusammen machen. Als ich realisierte, dass es Delia Lachance Fischer, die Gründerin von Westwing war, rutschte mir das Herz in die Hose. Mittlerweile konnte ich mehrere Male über ihre Plattform verkaufen. Einen weiteren Wow-Moment hatte ich vergangenes Jahr, als Estefania Lacayo, eine der Mitgründerinnen von LAFS, der globalen Plattform für südamerikanische Marken, mich auf Instagram angeschrieb und sich als unser Fan outete. Wir hoffen sehr, dass uns durch sie weitere Türen geöffnet werden.
F: Wie verstehst du nachhaltiges Handeln?
ML: Im Bezug auf meine Arbeit, investiere ich in langfristige Arbeitsverhältnisse. Mein Unternehmen setzt auf traditionelle Handwerkskunst. Die Artesanos (Handwerker) sollen ihr über Generationen weitergegebenes Handwerk authentisch ausüben können. Zusammen optimieren wir die Abläufe, jedoch bestimmen sie die Entlöhnung, die sie für die Arbeit benötigen. Auch die Arbeitsbedingungen sind uns wichtig, was zum Beispiel zur Stiftung von Stühlen bei Artesanos in einer sehr armen Gegend im Süden Kolumbiens führte. Sie hatten zuvor keine Sitzmöglichkeiten, um ihr Handwerk auszuführen. Bei vielen Familien ist die Mutter die Haupternährerin. Um die Kinderbetreuung und die Arbeit unter einen Hut bringen zu können, schauen wir zusammen, dass sie ihre Arbeit zuhause verrichten kann. Mit TAUTA unterstützen wir die Wahrung der traditionellen Handwerke und deren Ausübung angepasst an den heutigen Lebenswandel in Kolumbien.
F: Wie lebst du Nachhaltigkeit?
ML: Recycling, Kompostieren und Food Waste sind wichtige Themen bei uns, wir erziehen unsere Kinder dazu, bewusst zu konsumieren und dankbar für unsere Ressourcen zu sein.
F: Kennst du alle Hände, durch die deine Produkte gehen?
ML: Oh ja, jede einzelne Hand! Meine jährlichen Reisen nach Kolumbien ermöglichen es mir, eine enge Beziehung zu den Handwerkern aufzubauen. Zusammen setzen wir die TAUTA-Designideen in die Produktion um, was viel Spass macht und auch Vertrauen schafft. Die Qualitätskontrolle und der Versand in die Schweiz erfolgen durch das kolumbianische TAUTA-Team vor Ort.
F: Wie findest du deine Produzenten, und was ist die Herausforderung dabei?
ML: Am Anfang war es sehr schwierig, eine Vertrauensbasis aufzubauen, da ich nicht vor Ort wohne. Die ersten Handwerker habe ich durch die Organisation ProColombia gefunden. Eine staatliche Organisation, die Handwerker und Designer miteinander bekannt macht und beiden Seiten bei Problemen oder Fragen in jedem Bereich zur Seite steht. Mittlerweile wächst unser Handwerker-Stamm organisch durch Empfehlungen bestehender Handwerker. Momentan arbeiten wir mit fünf verschiedene Ateliers zusammen und zwar aus den verschiedensten Regionen Kolumbiens.
F: Weshalb ist es für kleine Labels offenbar so viel einfacher als für Grosskonzerne, nachhaltig zu produzieren?
ML: Wir haben eine kleine Auswahl an Produkten und ebenfalls kleine Produktionsstückzahlen und arbeiten direkt mit den Artesanos zusammen, die lokale Rohstoffe nutzen. Alles sehr gut überschaubar. Wir grenzen uns klar von Fast Fashion ab.
„In Kolumbien ist alles anders als das, was wir hier kennen.“
F: Was tust du, wenn du gerade nicht inspiriert bist?
ML: Ich koche und zwar alles Mögliche! Durch die Nase kommt dann die Inspiration, ich fange an nachzudenken über diese und jene Reise, und schon bin ich wieder in meinem Film.
F: Wie bist du als Chefin?
ML: Da müsste man mein Team fragen. (lacht) Es sind mittlerweile zwei Festangestellte, drei Freelancer und die Handwerker, die in Kolumbien je nach Bestellung zwischen fünf und 30 Personen sind. Ich versuche, immer die Chefin zu sein, die ich früher selbst hätte haben wollen. Eine faire und motivierende Person, die den Angestellten etwas zutraut! Ein Team mit Profis zu haben, ist ein Segen.
F: Welches ist dein Lieblingsort in Zürich?
ML: Der Kreis 4. Er ist der Puls der Stadt! Die idyllische Bäckeranlage, die coolen Restaurants und Bars, die supermoderne Europaallee und ja, die verrückte Langstrasse. Ich habe fast zehn Jahre in den Kreisen 4 und 5 gelebt, was für eine Zeit!
F: Was vermisst du an Kolumbien?
ML: Die tausenden Früchte. Die laute Musik an jeder Ecke. Das Grün der Wiesen – es ist anders als das, was wir hier kennen.
F: Wobei könnten sich die Schweizer an den Kolumbianern ein Beispiel nehmen?
ML: Patriotischer zu sein. Ich vermisse den Stolz zu Land und Handwerk. Ich liebe Trachten, typische Musik und Essen.
F: Worin zeigen sich deine kolumbianischen Wurzeln, und wo bist du Zürcherin durch und durch?
ML: Mein Spiegelbild erinnert mich jeden Morgen daran, dass ich weit weg zwischen Kaffee-Hügeln auf die Welt gekommen bin. Ich versuche, immer gute Stimmung zu verbreiten und den Leuten ein Lachen auf die Lippen zu zaubern! Mein Sohn kann bestätigen, dass ich ohne laute Musik nicht Auto fahre. (lacht) Zürcherin? Ich liebe das Sächsilüüte und den Sprüngli. Schweizerin? Ich halte mein Wort, auch wenn manchmal etwas verspätet, da kommt das Kolumbianische wieder durch. (lacht)
F: Du förderst mit TAUTA traditionelle Handarbeit. Welche fasziniert dich am meisten?
ML: Das Weben mit dem Kamentsa-Volk im Süden von Kolumbien. Zu ihrer Arbeit gehört nicht nur ein Webrahmen, es gehört viel Spiritualität, Dankbarkeit und Können dazu.
F: Welche Traditionen zelebrierst du selbst?
ML: Ich versuche, meinen Söhnen meine Liebe zu beiden Ländern und Kulturen mitzugeben. Offen und neugierig zu sein und sich für nichts zu schämen oder zu cool zu sein. Wir feiern Ostern, Sächsilüüte, 1. August, Samichlaus und Weihnachten, ebenso den Día de los Muertos (Tag der Toten). Und sobald die Kinder etwas grösser sind, werden wir die Novenas de Aguinaldo im Dezember feiern, das ist ein wunderschöner katholischer Advents-Brauch.
F: Wodurch wird eine Wohnung ein Zuhause?
ML: Das Gefühl, zuhause zu sein, hat für mich viel mit persönlichen Erinnerungsstücken zu tun. Es sind Gegenstände und Kleidungsstücke, die ich schon lange besitze, ebenso wichtig für mich ist der vertraute Geruch der Möbel oder des Essens.
F: Wofür kämpfst du?
ML: Ich kämpfe nicht, aber ich strebe danach, einen positiven Fussabdruck auf diesem Planeten zu hinterlassen.
F: Was würdest du niemals aufgeben?
ML: Meine Selbständigkeit und das Träumen.
F: Worüber grübelst du zu oft, und worüber solltest du dir mehr Gedanken machen?
ML: Ob ich meine Söhne zu guten Menschen erziehen werde? Ich sollte mehr an meine Buchhaltung denken.
F: Woran scheitert unsere Gesellschaft?
ML: An unserem Egoismus und Empathielosigkeit!
F: Was kochst du für Gäste und welches Gericht für dich alleine?
ML: Flammkuchen nach dem Rezept meiner guten Freundin Marina, dazu einen Gartensalat. Wenn ich alleine bin, bestelle ich am liebsten Sushi, leider kommt dies nur alle paar Jahre vor…
F: Von welchem Abenteuer träumst du?
ML: Mit meinen drei Männern eine längere Zeit in Kolumbien zu leben. Ich habe es total visualisiert und warte auf die Gelegenheit.
F: Wie alt wärst du, wenn du dein Alter nicht wüsstest? Und was wird besser, je älter man wird?
ML: Etwa 120, ich bin mit einer alten Seele geboren! Ich werde gelassener, der Stress etwas zu verpassen, ist bei mir vorbei, es fühlt sich richtig an, da zu stehen, wo ich gerade bin!
F: Was gönnst du dir?
ML: All diese kleinen Treatments, die die meisten Frauen so lieben: die Nägel oder die Haare machen zu lassen und so weiter.
F: Welche Frage hätten wir dir stellen sollen?
ML: Wie hältst du es mit diesen drei Knallfröschen zuhause nur aus? (lacht)
María Lorez
In ihren bunten Kimonos, bedruckten Kleidern oder mit den handgeflochtenen Hüten sorgt María Lorez auf Zürichs Strassen stets für einen Farbklecks. Die Zürcher Designerin, geboren im Hochland Kolumbiens und aufgewachsen in Pereira, zog als Kind in die Schweiz und hat hier 2015 ihr eigenes Label TAUTA gegründet. Was mit Interieur-Gegenständen und bunten Liebdingen für Zuhause begann, beinhaltet mittlerweile auch Kleidungsstücke, die Lorez selber trägt. Bei der Produktion ihrer Produkte arbeitet sie mit Handwerkern aus Kolumbien zusammen und zelebriert dabei die traditionellen Handarbeiten, die in Form stylischer Taschen, bunter Keramik oder Kissen den Weg in unsere Wohnungen finden. María Lorez wohnt mit ihrem Mann und ihren zwei Jungs in Zürich, wobei sie zur Inspiration und für ihre Arbeit regelmässig nach Kolumbien reist.
www.tauta-home.com