Zink im Gesicht und Salz im Haar, das Brett unter den Füssen und die nächste Welle im Blick: Surfen macht glücklich – wenn man es denn einmal geschafft hat, sich oben zu halten. Biliana Roth und Dominik Baur haben Europas Surf-Hot-Spots erkundet und auf der Strecke zwischen dem Norden Frankreichs und dem Süden Spaniens die Gesichter festgehalten, die diesem Sport seine Seele verleihen.
In Ruhe und Frieden zu leben, das ist Gordons Ziel. Und dazwischen die eine odaaer andere tolle Welle zu reiten, von denen es hier in La Torche jede Menge
gibt. Hier lebt der Deutsche seit zehn Jahren, in einem Trailer, umgeben von 25 Hektaren Land, zehn Kühen und jeder Menge anderer Surfer, die wie er einfach das Leben geniessen. Wenn die Aussichten stimmen, dreht Gordon die Musik auf, hantiert mit dem Wachs, steigt in den Wetsuit und verbringt an solchen Tagen schon mal acht Stunden im Wasser, bis er beinahe selbst zum Fisch wird.
Für Marco ist Surfen wie Meditieren. Der Kopf wird frei, die Laune steigt, das Gefühl von Freiheit macht sich breit. Der Italiener braucht diesen Ausgleich vom Alltag als Management Consultant – kein Job, der das Herz füllt, aber sicherlich das Bankkonto. Seit fünf Jahren steht Marco auf dem Brett und kommt immer wieder nach Cantabria zurück, wo ihn Freunde zum ersten Mal auf den Geschmack der Wellen brachten. Mit dem Surfen verhält es sich wie mit dem Zähmen einer verängstigten Hauskatze: Man braucht Zeit und Geduld. Die Kälte des Ozeans, das Steuern des Bretts, doch stand Marco einmal oben, ohne Zittern, furchtlos und frei, da war es um ihn geschehen.
Bordeaux ist ihre Heimat, Surfen Elodies Passion. Aufgeregter als ihre Schüler verlässt die angehende Lehrerin den Unterricht, nur um jede freie Minute auf dem Brett und zwischen den Wellen zu verbringen. Jeden Sommer fährt sie ins französische Capbreton, wo sie nicht nur dem Bodyboarding nachgeht, sondern als Rettungsschwimmerin auch für Sicherheit am Strand sorgt. Während des Studiums in Deutschland wird ihr klar, dass sie ohne das Meer nicht leben kann. Das Tosen er Wellen, die schäumende Gischt, der feuchte Sand – all das gehört zu Elodie wie das blonde Haar und die verschmitzten Augen, die am stärksten glänzen, wenn sie von ihren Erfahrungen im Wasser erzählt.
Fabrizio arbeitet dort, wo andere ihren Urlaub verbringen. Als Kapitän eines 20-Meter-Segelboots verbringt er seinen Alltag Seite an Seite mit den Wellen, die ihn später auf dem Brett in die Knie zu zwingen versuchen. Ursprünglich aus Pisa, führt ihn das Leben durch ganz Europa, in die Schweiz, nach Deutschland und Frankreich bis an die Costa Vasca. Jeden Tag stürzt sich Fabrizio ins Meer, das er mindestens so sehr liebt wie seine Frau. Letztere kommt mit der Konkurrenz gut klar – solange ihr Liebster am Ende wieder zu ihr zurückkehrt.
Man könnte meinen, durch Freds Adern rauschte längst Salzwasser, so viel Zeit verbringt der Argentinier im Wasser. Als Kapitän ist die portugiesische Algarve sein Arbeitsplatz, den er im Gegensatz zum Büroangestellten auch nach seiner Schicht besucht. Mit seinem Camper erkundet er die Küste und holt sich auf dem Brett immer und immer wieder dieses Gefühl, dass gerade nichts anderes zählt als er und die Welle.
Biliana Roth und Dominik Baur: The Flow
Es sind Bilder, die das Fernweh anfachen wie ein Windstoss das Lagerfeuer. Gepresst zwischen zwei Buchdeckel und auf 224 Seiten finden sich in „The Flow“ Surferinnen und Surfer, die an der Küste zwischen Frankreich und Spanien ihr Zuhause gefunden haben. Hier haben sie Biliana Roth und Dominik Baur getroffen; sie, die Interaction Designerin aus Zürich, er, der Freelance-Fotograf. Das Auge fürs schöne Bild haben sie beide, weshalb es ihnen auch leicht fällt, auf ihrer Reise vom Norden Frankreichs in die südlichste Spitze Spaniens immer im richtigen Moment den Auslöser zu drücken. Surfen ist das eine, das die zwei fasziniert, die Menschen dahinter das andere. Biliana Roth und Dominik Baur, „The Flow“, Benteli Publishing ca. 53.– (www.bilianaroth.ch und www.dominikbaur.com)