Die Welt ist ein düsterer Ort. Darum sind die Kreationen von Lola Mayeras knallbunt und voller Humor, sonst würden wir ja alle langsam verzweifeln. Die Französin hat den Spagat zwischen Kunstobjekt und Alltagsgegenstand gemeistert und erschafft Keramikstücke, die man aufstellen und bewundern, bei Bedarf aber auch brauchen kann. Wie bunt ihr Zuhause ist, warum das beste Feedback zu ihrer Arbeit von einem Schönheitschirurgen stammt und was es mit einem Friedhof voller unvollendeter Konzepte auf sich hat, verrät sie uns im Interview.

FACES: Früher hast du Mode designt. Wie bist du von der Fashion zur Keramik gekommen?
Lola Mayeras: Ich bin mit Ton aufgewachsen: Mein Vater ist Keramiker und sein Atelier war mit dem Haus verbunden, in dem ich aufgewachsen bin. Ich wusste schon immer, dass ich Dinge entwerfen wollte. Nach der Schule habe ich mich direkt der Mode zugewandt und war einige Jahre lang sehr glücklich als Modedesignerin. Aber als es darum ging, etwas Eigenes zu schaffen, hatte ich keine Lust, dies mit Kleidung zu tun. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, eine Modemarke zu gründen. Das Entwerfen von Objekten kam während des ersten Covid-19 Lockdowns, als ich die Werkstatt meines Vaters in Südfrankreich wiederentdeckte.
F: Charakteristische Farben deiner Designs sind unter anderem Blau, Gelb und Pastellrosa. Hast du dich während deiner Zeit in der Modebranche zu anderen Farbpaletten hingezogen gefühlt als heute?
LM: In der Modebranche habe ich mich mehr für Muster, Silhouetten und Formen interessiert. Bei jeder Saison und Kollektion haben wir die Farben schon früh im Designprozess geändert. Heute kommen die Farben meist erst am Ende, zuerst gibt es den Designprozess und das Formkonzept.
F: Erkennst du Parallelen zwischen der Kreation eines Keramikstücks und deiner Herangehensweise, wie du früher Mode designt hast?
LM: Auf jeden Fall, denn ich denke immer noch in Volumen und skizziere viel. Die meisten Stücke entstehen zunächst als schnelle Zeichnungen. Ob es sich nun um ein Kleidungsstück oder eine Lampe handelt, ist dabei egal, denn es geht um die Silhouette und wie sie sich im Raum präsentiert. Dahinter steckt immer ein kleines Konzept. Die Mode hat mir auch beigebracht, wie man eine Geschichte über eine Kollektion hinweg aufbaut, auch wenn sie subtil oder ironisch ist. Ich denke immer noch in Serien, als ob die Stücke zusammen gehören würden.
F: Würdest du wieder in die Modebranche zurückkehren?
LM: Vielleicht für ein ganz bestimmtes Projekt, eine Zusammenarbeit oder eine Gastkollektion, aber nicht in Vollzeit. Ich denke nicht nostalgisch an die Mode zurück, liebe aber nach wie vor Textilien, Texturen und das Ankleiden von Objekten oder Menschen.
F: Deine Designs sind verspielt, farbenfroh und lustig. Und doch handelt es sich um Alltagsgegenstände. Wo findest du Inspiration?
LM: Meistens beginnt es mit einer Referenz zu etwas, das ich gesehen, falsch gelesen oder zufällig mitbekommen habe und das eine Idee auslöst. Oft beginne ich damit, vorhandene Objekte zu zeichnen, und verzerre oder verdrehe sie dann. Vieles kommt auch aus meiner Erinnerung, fast wie Karikaturen meines Alltags als Kind.


„Ich bin in Südfrankreich aufgewachsen, daher prägen mich sonnenverblasste Farben, die Trägheit der Hitze und die Dolce-Vita-Ästhetik.“
F: Was sollen die Leute empfinden, wenn sie deine Kreationen betrachten?
LM: Eine Mischung aus Wiedererkennung und Verwirrung. Wie etwas Vertrautes, das doch seltsam genug ist, um zum Schmunzeln anzuregen.
F: Wie beeinflussen dein Herkunftsort und dein aktueller Wohnort deinen Designprozess?
LM: Ich bin in Südfrankreich aufgewachsen, daher prägen mich sonnenverblasste Farben, die Trägheit der Hitze und die Dolce-Vita-Ästhetik. Das bleibt einem erhalten. Jetzt lebe ich mit jemandem, der ebenfalls kreativ tätig ist, in einer winzigen Pariser Wohnung. Das bringt mich dazu, viel nachzudenken über Größenverhältnisse, Humor und darüber, was wirklich wichtig ist, wenn der Platz begrenzt ist.
F: Gibt es eine Inspirationsquelle für deine Keramik, die absolut nichts mit Keramik zu tun hat?
LM: Die Straßenfotografie meines Freundes Bram van Dijk.
F: Wie lange dauert es von der Idee bis zum fertigen Objekt?
LM: Alles zwischen einer Woche und zwölf Monaten ist möglich, je nach Größe und wie experimentell ich vorgehen möchte. Ton ist langsam, ihm sind deine Deadlines völlig egal. Für das Bettwäscheset habe ich mehr als ein Jahr gebraucht, um das Design richtig zu entwickeln, die richtige Fabrik zu finden und es bis zum fertigen Produkt herstellen zu lassen.
F: Verfolgst du Trends und soziale Medien aufmerksam oder stört das eher deinen kreativen Prozess?
LM: Ich versuche, das möglichst nicht zu tun. Ich poste, dann verschwinde ich. Aber natürlich gerate ich manchmal trotzdem in die Scroll-Falle. Ich denke, dass ich eher von den Trends beeinflusst bin, die es gab, als ich ein Kind war, als von dem, was gerade aktuell ist.
F: Gab es einen bestimmten Moment, in dem dir klar wurde, dass du eine kreative Karriere anstreben willst?
LM: Ich wollte nie etwas anderes machen. Ich wusste schon immer, dass ich einen Beruf ausüben wollte, bei dem ich meiner Fantasie freien Lauf lassen kann. Mit acht Jahren habe ich meine erste „Marke“ gegründet: Mein Vater erlaubte mir, eine kleine Kollektion ziemlich hässlicher Keramikfiguren herzustellen, die ich zum Spaß in seinem Souvenirladen an der Straße nach Saint-Tropez ausstellte. Ich habe zwar nichts verkauft, war aber sehr stolz darauf, meine Figuren dort zu sehen.
F: Wenn man so durchs Lola-Mayeras-Sortiment stöbert, stellt man sich vor, dass dein Zuhause bestimmt voller Farben und skurriler Objekte ist. Stimmt das oder unterscheidet sich dein persönlicher Einrichtungsstil völlig von dem, was du entwirfst?
LM: Es gibt definitiv Farben, aber ich versuche, sie auf ein Minimum zu beschränken. Ich habe viele bunte Prototypen herumliegen, aber ich liebe es auch, dass meine Wohnung weiße Wände, Holzmöbel und schlichte weiße Teller in der Küche hat. Farbe ist schön, aber zu viel davon würde mich wahrscheinlich verrückt machen.
F: Was ist das überraschendste Dekoelement, das du in deiner Wohnung hast?
LM: Ich habe einige Gemälde von Jesse Fisher, sie sind die Farbtupfer an den weißen Wänden.

„Die Idee ist, ein komplettes Wohnuniversum zu schaffen.“
F: Hast du ein Lieblingsobjekt aus deinen Kollektionen?
LM: „The Shirt Stack“ – für mich ist es das Stück, das mir eine neue Tür zu skulpturalen Sammlerstücken geöffnet hat.
F: Als du kürzlich ein Bettwäscheset herausgebracht hast, bist du wieder zu Textilien zurückgekehrt. Mit welchen anderen Materialien würdest du in Zukunft gerne noch experimentieren?
LM: Ich habe bereits Stücke aus Holz und Edelstahl entwickelt und möchte weiterhin neue Materialien erforschen. Die Idee ist, ein komplettes Wohnuniversum zu schaffen, eine vollständige Kollektion, die zusammenpasst. Was das nächste Material angeht, habe ich einige Ideen, die sich sehr gut für Glas eignen könnten. Das wäre also spannend zu erforschen.
F: Was ist das beste oder lustigste Feedback, das du jemals zu deiner Kunst erhalten hast?
LM: Während der Paris Design Week kam ein Schönheitschirurg in meinen Showroom, griff nach dem „Glovy Mirror“ – die Skulptur einer Hand in einem Handschuh, die einen Spiegel hochhält – und sagte: „Das ist der perfekte Spiegel für meine KundInnen, nachdem sie ihr Botox bekommen haben.“
F: Wie können wir die Welt noch bunter und unterhaltsamer gestalten, abgesehen von lustigen Dekoartikeln?
LM: Ich finde die durchschnittliche Autofarbe so langweilig, sie sind alle schwarz, dunkelblau oder weiß, da gibt es definitiv Raum für farbenfrohe Verbesserungen.
F: Wenn du nur drei deiner Entwürfe retten könntest und der Rest für immer verloren wäre, welche würdest du schnappen?
LM: Das Bettwäscheset, einen meiner großen Loop Cups und den Shirt Stack.
F: Was hat dir deine kreative Karriere für andere Bereiche des Lebens beigebracht?
LM: Dass nichts linear verläuft. Die meisten Dinge funktionieren nicht beim ersten Mal, und das ist völlig in Ordnung.
F: Hast du jemals etwas geschaffen und es dann so schrecklich gefunden, dass du es sofort wieder zerstört hast?
LM: Hinter meinem Arbeitsplatz befindet sich ein geheimer Friedhof voller tragisch unvollendeter Konzepte.
F: Worauf muss man achten, wenn man mit Keramik als Hobby beginnen möchte? Ist es wirklich so viel schwieriger, als es aussieht?
LM: Man wird einiges zerbrechen, Dinge schlecht glasieren und lernen, ein Stück erst dann wirklich zu lieben, wenn es aus dem Ofen kommt.
F: Hast du je ein Keramikstück gesehen und gedacht „Ich wünschte, ich hätte diese Idee gehabt!“?
LM: Nicht wirklich. Natürlich gibt es Dinge, die mir sehr gefallen, aber insgesamt bin ich gar nicht so von anderen Keramikstücken besessen.
F: Bei dir findet man Teller, Tassen, Lampen, Vasen – welche Objekte kommen als Nächstes?
LM: Ich habe gerade mein neuestes Werk während der Paris Design Week ausgestellt: Eine Skulptur aus Holz und Keramik, die als Couchtisch verwendet werden kann. Neben den klassischen Haushaltsgegenständen interessiere ich mich immer mehr dafür, einzigartige Skulpturen zu schaffen, die dennoch in gewisser Weise nutzbar sind. Hoffentlich wird das nächste Objekt auch daraus bestehen.
„Ich wusste schon immer, dass ich einen Beruf ausüben wollte, bei dem ich meiner Fantasie freien Lauf lassen kann.“
F: Was ist wichtiger und wieso – Form oder Funktion? Oder beides gleichermaßen?
LM: Form. Immer die Form. Aber die Funktionalität sollte folgen.
F: Stell dir vor, du darfst etwas für eine Berühmtheit entwerfen. Wer ist der oder die Glückliche?
LM: Jean Paul Gaultier, weil er es immer geschafft hat, das Bizarre begehrenswert zu machen. Ich stelle mir ein Objekt vor, das zwischen Provokation und Zärtlichkeit schwankt, wie ein Augenzwinkern an sein Universum.
F: Führ uns einmal durch einen typischen Arbeitstag.
LM: Ich habe keine bestimmte Routine, was manchmal ein Problem sein kann. Mein Tagesablauf hängt davon ab, ob ich in meiner Pariser Wohnung oder in meinem Atelier im Süden bin. An manchen Tagen bin ich in der Produktion und verbringe den ganzen Tag in meinem Atelier, um an neuen Stücken zu arbeiten oder einen Auftrag abzuschließen, an anderen Tagen zeichne ich Ideen, verpacke und versende Bestellungen oder plane das nächste Fotoshooting oder die nächste Ausstellung. Wie der Tag auch aussehen mag, er beginnt auf jeden Fall mit einem Kaffee.
F: Fehlt dir je die Inspiration? Wenn ja, was tust du, um wieder neue Ideen zu bekommen?
LM: Das kommt selten vor. Ich habe ein kleines Notizbuch voller Skizzen und Ideen, und ich habe kaum Zeit, diese alle auszuprobieren. Wenn ich mich festgefahren fühle, öffne ich es und stöbere in meinen alten Gedanken. Es gibt immer etwas, das ich wieder aufleben lassen oder in etwas Frisches verwandeln kann.
F: Wo siehst du Lola Mayeras als Marke in den nächsten Jahren?
LM: In mehr Wohnungen, in Galerien, in Zusammenarbeit mit Geschäften, ArchitektInnen oder Modemarken. Ich möchte meine Welt mit neuen Materialien und unerwarteten Projekten weiter ausbauen.
F: Wenn du nicht designen würdest, was würdest du dann tun?
LM: Kürzlich habe ich eine Hüpfburgfabrik besucht und war begeistert – ich wäre also wohl Besitzerin einer Hüpfburgfabrik.


LOLA MAYERAS
Bei Lola Mayeras geht’s bunt zu und her. Eigentlich hat die Französin als Modedesignerin begonnen. Heute designt sie lieber Tassen, Vasen und allerlei Alltagsobjekte, die irgendwo auf dem Spektrum zwischen Kunst und Nutzen liegen. Dank ihrer Experimentierfreudigkeit und Inspirationsquelle, die niemals aufhört zu sprudeln, können wir sicher sein, dass laufend neue Objekte im Lola-Mayeras-Universum auftauchen werden. lolamayeras.com
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Fotos: © Bram van Dijk, François Pragnère
Auch Kathrin Schaden vom Designstudio Ursula Futura hat ein Faible für verspielte Farben und Formen.






