Elvis Presley war auf dem absteigenden Ast, so ging er in die Wüste und landete ein furioses Comeback. Ort des Geschehens 1968: Las Vegas – eine Stadt kaum grösser als Nürnberg. Die Mafia machte sich hier breit, mit ihr das Geld, Glücksspiel und phantastischer Grössenwahn.
Die besten Hotels, die schönsten Casinos, die schillerndste Leuchtreklame, Sinatra, das „Rat Pack“, Stars, Hollywoodstreifen, seit Las Vegas floriert, ist dieser unwirkliche Flecken in Nevadas Pampas die schrägste Fata Morgana der Welt. Nehmen Sie sich für 90 Dollar ein traumhaftes Zimmer und verbrennen Sie noch am selben Tag in der Spielbank das 50-fache. André Agassi ist hier geboren, und zu viele gestorben. Freiwillig, unfreiwillig, egal. Die Lichter, noch keine 100 Jahre entflammt, werden in Vegas sicher nie erlöschen.
Volle Power
Las Vegas ist mit einem Verbrauch von rund 20 Millionen Megawattstunden der grösste Stromfresser der Welt. Keine Stadt braucht mehr Power im Verhältnis zur Grösse bzw. Einwohnerzahl. Weil die Versorgung über den nahen Hoover-Staudamm, Sonnenkollektoren etc. nicht ausreicht, importieren mehrere 1-Million-Volt-Leitungen Strom aus dem ganzen Land (5ʹ000 Lieferanten) in Lichtgeschwindigkeit. Peking liegt zwar mit 45 Millionen Megawattstunden deutlich höher, hat aber auch 17.5 Millionen Einwohner. Heisst andersherum: Wäre Las Vegas so gross wie Peking, hätte es einen Bedarf von rund 680 Millionen Megawattstunden. Rein theoretisch.
Willst du? Ja!
Zettel ausfüllen, 60 Dollar auf den Tisch, zack ist man verheiratet. Las Vegas ist bekannt für seine Hau-Ruck-Hochzeiten – ca. 120ʹ000 pro Jahr –, aber auch für spezielle, Beispiele: Trauung auf dem Eiffelturm, splitternackt das Ja-Wort geben, Heirat auf einem Piratenschiff, im Helikopter, beim Fallschirmspringen, schwul, lesbisch, Ami, Schweizer, egal. Gern auch vor Elvis – der ehelichte ja 1967 Priscilla in Vegas, starb zwar 10 Jahre später. Doch sein Doppelgänger tut vom Kostüm bis zum Rock’n’Roll-Gig in der Graceland-Kapelle alles, dass er so gut wie der echte daherkommt. Ach, übrigens: die Scheidung kostet in Las Vegas rund 450 Dollar. Darum hier auch noch 10 wichtige Tipps die Sie beachten sollten, wenn Sie Ihre Hochzeit in Las Vegas planen.
39’713’982
100 Dollar Einsatz, klick, klick, klick, plötzlich sind es 39’713ʼ982 Eier. Ein 25-jähriger Ingenieur aus Los Angeles streicht an einem „Megabucks“-Spielautomaten im Excalibur Casino 2003 diesen Rekordgewinn ein. Danach machen Gerüchte die Runde, er sei an einer Drogenüberdosis gestorben, beim Flugzeugabsturz verunglückt oder von einer Gang in LA erstochen worden. Tatsache ist, es geht ihm auch heute gut. Die Kohle hat er noch, zumindest immer wieder, denn das Casino zahlt den Gewinn gestaffelt aus: 1.5 Millionen Dollar pro Jahr während 26 Jahren. Schöne Pension, und das noch bis 2029.
Macht
In den 70ern und 80ern galt Las Vegas als heruntergekommen. Dazu trug massgeblich Allen R. Glick bei. Der damalige Casinobesitzer fungierte als Strohmann zu Mobstern und der Cosa Nostra, eine Schlüsselfigur bei der Unterwanderung und Abschöpfung von Spielbanken jener Zeit. 1982 wechselte der die Seite, trat als Kronzeuge in Mafia-Prozessen auf. Die „saubere“ Trendwende leitete Steve Wynn (Bild) 1989 mit der Eröffnung des Mirage ein, das seriöses und zahlungskräftiges Publikum anzog. Auf das Konto des Milliardärs gehen auch das Treasure Island und das Bellagio, wichtige Hotel-Magneten für die Stadt. Highlight: Sein 2005 fertig gestelltes Resort der Superlative Wynn Las Vegas. Donald Trump gehört das 189 Meter hohe Gebäude Trump International Hotel and Tower mit goldener Fassade, dritthöchstes Gebäude der Stadt. Ein Zwilling soll bald folgen. Und auch ein Schweizer übt ab sofort – wenn auch nicht mit Privatkapital – Macht in „Sin City“ aus. Josef Ackermann ist bekanntlich CEO der Deutschen Bank. Die wiederum hat vier Milliarden Dollar in das brandneue Casinohotel Cosmopolitan gepumpt
Auf Zelluloid
In „Sin City“ entstanden über Jahrzehnte Dutzende Filme, und manch Klassiker. Hier die besten: „Ocean’s 11“ (das Original, 1960) – Elf Veteranen plündern zum Neujahrstag fünf Casinos gleichzeitig, und das „Rat Pack“ um Frank Sinatra, Dean Martin, Sammy Davis Jr., Joey Bishop und Peter Lawford setzt sich auch im Kino ein Denkmal. / „Viva Las Vegas“ (1964) – Schwedentörtchen Ann-Margret verdreht dem rennfahrenden Elvis Presley den Kopf, der wiederum allen Frauen, und manch einem Mann im Kino. / „Leaving Las Vegas“ (1995) – Ein gescheiterter Skript-Writer geht in die Stadt, um sich zu Tode zu saufen. Verstörendes Werk über die Abgründe des Lebens und eine Endstation, die sich nicht aufhalten lässt. Nicolas Cage trank sich für die Rolle reif, John O’Brian, Autor der Romanvorlage, brachte sich noch vor Drehbeginn um. / „Casino“ (1995) – Regie: Martin Scorsese, im Bild: Robert De Niro, Sharon Stone, James Woods – noch Fragen? / „Fear and Loathing Las Vegas“ (Bild, 1998) – Hunter S. Thompson schrieb die Story, dazu „zwei Beutel Gras, fünfundsiebzig Kügelchen Meskalin, Acid, Koks, Tequilla, Rum, Bier,…“, Benicio Del Toro und Johnny Depp. Der Mix macht’s. / „The Hangover“ (2009) – Junggesellenabend, Jägermeister auf dem Hoteldach des Caesars Palace, ein Filmriss, die Suite ist ein Schlachtfeld.
History
1864 eine Mormonen-Siedlung, dann Armeestützpunk Fort Baker, erst als Rancherwitwe Helen Stewart einer Eisenbahngesellschaft für 55’000 Dollar ihr Farmgrundstück verkaufte, und die wiederum am 15. Mai 1905 die parzellierten Flächen an Spekulanten versteigerte, war Las Vegas („Die Wiesen“) offiziell gegründet. Mit dem Bau des Hoover-Staudamms 1931 und der Legalisierung des Glücksspiels war der Startschuss für Wachstum gefallen. Erst entstanden zwei Casinos. Dann kam Mafioso Bugsy Siegel. Der versuchte sich, in die Spielbanken hinein zu drängeln, was misslang. So kaufte er 1945 eines auf, und liess es zum „The Flamingo Hotel“ umbauen, finanziert von Geldern der Cosa Nostra. Mit dem Modell Casino-Hotel setzte er eine Entwicklung in Gang, die bis heute anhält.
Gut im Fluss
Der Jahresumsatz der Spielbanken von Las Vegas beträgt gut 8.5 Milliarden Dollar. Mittlerweile wurde es aber von Chinas Sündenpfuhl Macao überholt. Der Stadtstaat macht – bei ungefähr gleicher Einwohnerzahl – 13 Milliarden Dollar im Jahr! Also gleich viel, wie
Copy Paste
In Las Vegas stehen die Freiheitsstatue, das Empire State Building und die Brooklyn Bridge – Kopien, versteht sich. Weitere verblüffend authentische Nachbauten: Venedig inklusive San Marcos Campanello, Rialto-Brücke und Kanälen, der Eiffelturm, Ägyptens Pyramiden, und klein aber fein: das Münchner Hofbräuhaus. Hierfür wurden sogar die Decke handbemalt und 75ʼ000 Dachziegel aus Deutschland eingeschifft. Die „Strafe“ für die Fälscher folgt: Mitten in der Steppe von Kasachstan soll eine exakte Kopie der US-Spielerstadt entstehen. Für das 30 Milliarden CHF teure Projekt sind zehn Jahre veranschlagt, der Flughafen steht bereits Ende kommenden Jahres.
Bye, bye, 2Pac
In Las Vegas sterben nicht nur unbekannte Gangster: Rapper Tupac Shakur – Drogengeschäfte, Körperverletzung, sexuelle Gewalt – hatte sich am 7. September 1996 gerade einen Boxkampf im MGM Grand Hotel angesehen, als an einer Ampel Schüsse auf seinen Wagen gefeuert wurden. Der Star erlag am 13. September den Verletzungen. Bis heute ist der Mord ungeklärt, Rivalität mit konkurrierenden Rappern gilt als Motiv, der Hauptverdächtige Orlando Anderson wurde 1998 allerdings selber erschossen.
Die Rivalin
Wenn Las Vegas Coca Cola ist, dann Atlantic City (New Jersey) die Pepsi. Früher als Las Vegas erhielt die Ostküstenstadt Casino-Lizenzen, die goldene Ära war hier bereits in den 20ern. Es folgte der Niedergang, weil Vegas mit Weltstars und Attraktionen lockte, die unschlagbar waren. Als Ende der 70er, Anfang der 80er in Las Vegas die organisierte Kriminalität aus den Fugen geriet, hatte Atlantic City wiederum kurz die Nase vorn – dafür sorgten zum Beispiel auch WM-Boxkämpfe.
Die Paten/h3>
Seit den 50er Jahren stieg der Einfluss der US-amerikanischen Cosa Nostra in der Stadt. Zahlreiche Hotels wurden von ihr kontrolliert, Gewinne aus den Casinos abgeschöpft, und an die Familien der Bosse, nach Chicago, Miami, etc., weitergeleitet. Bald schon erklärte das National Crime Syndicate Las Vegas zur „offenen Stadt“ – heisst, die Metropole war nicht in den Händen bloss eines Clans, sondern hier durfte sich fortan jeder Pate engagieren. Ab 1960 bedienten sich Mafiosi sogar Gewerkschaftsgelder, um Hotels und Casinos – also neue Geldquellen – zu errichten. 1974 zum Beispiel kaufte Allen Glick zwei Spielbanken mit 63 Millionen Dollar aus einem Gewerkschafterpott, der Fondverwalter war letztlich letztes Glied in der Kette von Mafia-„Funktionären“. So entstanden das „Aladdin“, „Circus Circus“, „Dunes“, „The Tropicana“ und „The Sands“. Letzteres war über Jahre so was wie ein zweites Zuhause des „Rat Pack“, Frank Sinatra gar an dem Laden beteiligt, bevor ihn Milliardär Howard Hughes kaufte.
Dangerous!
Raub, Vergewaltigung, Totschlag, Mord: Laut Kriminalstatistiken des FBI ist Las Vegas die viertgefährlichste Stadt der USA. Nicht kriminell, aber ebenso düster: In der Wüstenmetropole nehmen sich mit Abstand die meisten Menschen das Leben – doppelt so viele wie im US-Landesdurchschnitt!
39’000’000
Jedes Jahr strömen 39 Millionen Besucher nach Las Vegas. Das sind 70-mal so viel wie die 558’000 Einwohner der Stadt. Das ergibt für den Flughafen der Stadt, den McCarran International Airport, 39,4 Millionen Fluggäste pro Jahr, und die machen ihn zum achtgrössten Flughafen der USA (Platz 22 weltweit), obwohl Las Vegas gerade mal die 28-grösste Stadt der Vereinigten Staaten ist.
20’000 Kilo pro Tag
Ein Glas, 72 Krabben, süss-saure Sauce drauf, fertig ist der Shrimp Cocktail. Jeden Tag werden davon in Las Vegas 20ʹ000 Kilo verputzt. Das Original gibt es seit 1959 im Hotelcasino Golden Gate, damals für 99 Cent – heute für immer noch bescheidene 1.99.
Hotel, Hotel
14 der 20 weltgrössten Hotels stehen in Las Vegas. Die Spitzenposition belegt The Venetian mit 4ʹ049 Suiten, 4’059 Hotelzimmern, einem 11’000-qm-Casino und einem Fensterausblick auf den Canale Grande. Das MGM Grand (Platz 2) verteilt auf 35ʹ000 qm ein 89-Meter-Hotelhochhaus, fünf Pools, Flüsse, eine Fernsehstation, das grösste Casino von Clark County und eine Arena für 16ʹ800 Besucher. In letzterer biss Boxer Mike Tyson seinem Kontrahenten Evander Holyfield 1998 ein Stück Ohr aus. Das Encore von 2008 (junges „Schwesterhotel des spektakulären Wynn, 18-Loch-Golfplatz mit Mini-Niagara-Fällen, das teuerste mit 2,7 Milliarden Baukosten) steht auf Platz 4. Es gilt als eines der feinsten Hotels überhaupt, erhielt zusammen mit dem Wynn so viele „Forbes Five Stars Awards“ wie kein anderes Casino-Resort auf der Welt. Das Bellagio (Platz 10) hat mit 1’000 Springbrunnen auf einem 4,8-Hektar-See die meisten Fontänen. Auf Platz 11 liegt der Klassiker Circus Circus von 1968. Während die Gäste über die Indoor-Achterbahn jagen, guckt auch James Bond vorbei. „Diamonds Are Forever“ (1971) entstand hier. Platz 15: Das
(seit 1962), es protzt mit Säulen, Statuen und Wasserfontänen wie das Alte Rom. 3ʼ348 Zimmer, ein 15’000-qm-Casino, nicht übel. 1981 und 1982 fanden am Hotelparkplatz Formel-1-Rennen statt. Und weil das nicht genug ist, gibt’s seit 2003 ein Colosseum mit 4ʹ000 Sitzplätzen, gebaut für Celine Dion, die einen Exklusiv-Vertrag von über 5 Jahren hatte.
Mach mir den Michael Jordan
Schon die Grösse der Hardwood Suite im Palms Casino Resort ist mit 930 qm beeindruckend. Spannender: Das Luxusapartment hat als einziges auf der Welt einen integrierten Basketballplatz, Profi-Anzeigetafel und Umkleide inklusive. In der 2-stöckigen Suite hat es ausserdem drei XL-Betten im NBA-Spieler-Format plus Jacuzzi. Und das Hotel verspricht: „You can customize your stay with your very own team jerseys and cheerleaders.“
Unter Tage
Nehmen wir die Kleinkriminellen, die Gangster, die Mafiosi beiseite. Las Vegas hat eine zweite Unterwelt: In einem Kanalsystem von über 800 Kilometern Länge – konstruiert als Überschwemmungsschutz bei heftigen Regenfällen – hausen Hunderte von Obdachlosen in faulig-stinkigen Tunneln und Gängen. Angespültes Gerümpel nutzen die Drogenabhängigen, Alkis und gestrandeten Glücksritter kurzerhand zum Bau von Schlaf- und Wohnplätzen, die Zocker im Mirage oder Bellagio ahnen nicht, was sich unter ihren Füssen abspielt. Diese Parallelwelt ist so düster, dass selbst Obdachlose von der Strasse – davon soll es in Las Vegas rund 100ʼ000 geben! – jenen Grufties nicht über den Weg trauen. Hier sehen Sie einen Film über die Tunnel People auf Youtube.
Sin City
Es gilt: „What happens in Vegas stays in Vegas“ – heisst im Klartext, saufen, huren, Geld verprassen, sich gehen lassen, nichts ist unmöglich, so lang der Zaster rollt. In Casinos gibt’s keine Uhren, Prostitution ist illegal, Flyer von geilen Miezen bekommt man trotzdem an jeder Ecke. Die nennen sich schlicht „Stripperinnen“. Allerdings werden jedes Jahr Tausende „willige“ Besucher von Escorts ausgeraubt. Wer dann die Polizei zu Hilfe bittet, hat ein doppeltes Problem. Während Las Vegas in den 90ern plötzlich auf familienfreundliche Unterhaltung setzte, hat sich das halbseidene Milieu doch wieder durchgesetzt. „Crazy Horse“ im MGM Grand, „Fantasy“ im Luxor, „X Burlesque“ im Flamingo, mit Kindergarten hat das nichts zu tun, mit Streichelzoo aber schon – die Zahl der Nightclubs geht in die Hunderte. Wer vor lauter Rotlichtlaternen den Wald nicht sieht, hier unser Tipp: Das „Olympic Garden“, kurz „OG“, ist einer der grössten (und besten) Strip-Clubs weltweit. An einem Wochenende laufen bis zu 500 Girls auf, um dort an der Stange zu tanzen, und die Dollars in ihren Höschen zu sammeln. Im zweiten (650 qm grossen) Stock erlaben sich Junggesellinnen an leckeren Muskelkerlen. Das „OG“ ist der einzige Strip-Laden am rund sieben Kilometer langen Hauptboulevard „The Strip“.
Foto: picture alliance / Zoonar / Bruno Coelho
Hierf findest du eine Story über die Gesichter hinter den Neonschildern von Las Vegas.