Zwei Frauen, eine Branche und eine Idee: die Welt besser zu machen. Was so schön klingt, ist tatsächlich gar nicht so einfach. Doch mit der doppelten Portion Energie haben es Mette Fredin Christensen und Melissa Bech Madsen geschafft, das dänische Nachhaltigkeitslabel Blanche aufzubauen.
FACES: Wie kamt ihr auf die Idee, euer eigenes Label zu lancieren?
Mette Fredin Christensen: Wir hatten das Gefühl, dass ein nachhaltiges Label für Frauen in der skandinavischen Modeszene noch gefehlt hat. Wegen unserer Jobs in der Branche wussten wir auch, wie schlecht die Produktion von Kleidung für die Umwelt sein kann. Das hat uns dazu gebracht, es anders machen zu wollen.
Melissa Bech Madsen: Zudem wollten wir beweisen, dass Nachhaltigkeit auch modisch sein kann. Schlussendlich müssen sich Frauen darin stark fühlen.
F: Wisst ihr denn genau, durch welche Hände eure Kleidung geht?
MFC & MBM: Ja, wir kennen alle unsere Zulieferer, haben diese schon besucht und die Menschen getroffen, die hinter den Produkten stehen. Während der Fashion Revolution stellen wir im Rahmen der Aktion #Whomadeyourclothes auch jedes Jahr alle unsere Lieferanten vor. Transparenz ist uns extrem wichtig.
F: Wie schwierig war es, die richtigen Fabriken und Partner zu finden?
MFC & MBM: Es ist ein ständiger Prozess, die richtigen Lieferanten zu finden und diese in ihrem nachhaltigen Denken weiterzubilden und zu fördern. Wir sehen diese Arbeit allerdings als eine Reise, die wir gemeinsam bestreiten. Unsere Zulieferer sind mehr Freunde als Lieferanten – gemeinsam haben wir Blanche aufgebaut.
F: Wie nachhaltig sind eure Kollektionen?
MFC & MBM: Ungefähr 80 Prozent unserer Kollektionen sind nachhaltig und besser produziert als auf dem herkömmlichen Weg.
F: Was gefällt euch an eurer Arbeit am besten?
MFC: Als Designerin gefällt mir der Kreativprozess am besten, wenn wir neue Kollektionen entwerfen. Das macht mir am meisten Spass. Budgets festzulegen, macht mir nicht ganz so viel Freude, aber ich schaffe auch das.
MBM: Wir haben wirklich gelernt, alles unter einen Hut zu bringen. Dein eigenes Label zu lancieren, ist taff, und es gibt so viele logistische Herausforderungen zu meistern.
F: Versteht ihr euch blind, oder diskutiert ihr teilweise auch stark miteinander?
MFC & MBM: Wir streiten uns eigentlich nie. Klar, sind wir uns nicht immer nur einig, aber meistens teilen wir unsere Vision für Blanche.
F: Wie kamt ihr auf den Namen Blanche?
MFC & MBM: Blanche ist die weibliche Version von Weiss auf Französisch. Wir wollten quasi mit einer leeren Leinwand beginnen und dann nach und nach Farbe dazu geben. Weiss ist natürlich auch ein Synonym für Reinheit und Fairness – genauso wie unsere Produkte auch sein sollen. Der Name symbolisiert also auch den Nachhaltigkeitsgedanken und fasst zusammen, wofür das Label steht.
F: Wo seht ihr Vor- und Nachteile daran, euer eigener Chef zu sein?
MFC & MBM: Die Freiheit, deine eigenen Entscheidungen treffen zu können und deine eigenen Visionen umzusetzen, sind die positiven Seiten davon, dein eigener Chef zu sein. Hinter dem Label steckt allerdings viel harte Arbeit, und wir übernehmen neben unserer eigentlichen Rolle auch noch viele andere Jobs. Zudem machen wir uns extrem viele Gedanken und Sorgen darüber, ob wir die richtigen Entscheidungen getroffen haben.
F: Wie kommt ihr mit dem Druck zurecht, ständig Neues entwerfen zu müssen?
MFC & MBM: Wir spüren diesen Druck gar nicht so stark, weil es uns darum geht, Kleidung zu erschaffen, die lange hält und unabhängig von der Saison getragen werden kann. Wir glauben daran, dass Qualität wichtiger ist als ein schneller Trend.
F: Weshalb zelebrieren nordische Labels den Minimalismus?
MFC & MBM: Raffinierter und müheloser Minimalismus ist ein Teil der skandinavischen DNA. Es ist beinahe obligatorisch, diese Art von Ästhetik in unseren Breitengraden zu leben.
F: Wie unterscheidet sich Blanche dann dennoch von anderen skandinavischen Labels?
MFC & MBM: Unsere nachhaltige Sichtweise und der Glaube daran, dass Qualität immer vor Quantität steht.
F: Gerade bei Denim ist es extrem schwierig, nachhaltig und umweltfreundlich zu produzieren. Weshalb habt ihr euch dazu entschieden, mit Blanche ausgerechnet darauf zu fokussieren?
MFC & MB: Wir wollten uns auf die Teile konzentrieren, die in der Mode immer eine Rolle spielen und bei denen wir die grösste Notwendigkeit sahen, sie besser und mit weniger Auswirkungen für die Umwelt zu produzieren. Die Idee war, abseits der Massenware tolle Basics zu entwerfen.
F: Ihr stellt euch gegen Fast Fashion. Wie erklärt ihr eure Philosophie?
MFC & MBM: Wir glauben an die Langlebigkeit gut produzierter, qualitativ hochwertiger Produkte. Deshalb verändern wir zwar nicht den Schnitt unserer Jeans, aber zeigen diese jede Saison in anderen Farben. Zudem entwerfen wir Klassiker, die sich in all unseren Kollektionen wiederfinden. Ein weisses T-Shirt bleibt ein weisses T-Shirt.
F: Wie haben sich die Berufe in der Mode über die Jahre verändert?
MBM: Das ist eine grossartige Frage. Die ganze Industrie hat sich wegen Social Media extrem verändert – besonders wegen Instagram. Viele Menschen haben heute eine Stimme, und genau das hat den Wettkampf um die Aufmerksamkeit des Endkonsumenten angefacht. Ich glaube, es braucht heute noch mehr Fokussierung; finde deine Nische, und arbeite hart.
F: Trends zu schaffen oder Menschen einzukleiden: Wo seht ihr die Rolle des Designers?
MFC & MBM: Wahrscheinlich in beidem. Als Designer ist man seiner Zeit immer einen Schritt voraus und gibt die Richtung vor, in die die Mode geht. Gleichzeitig geht es aber auch darum, Dinge zu produzieren, die auf unterschiedliche Art und Weise getragen werden können.
F: Wie reagiert ihr auf das Vorurteil, Mode sei oberflächlich?
MFC & MBM: Bis zu einem gewissen Grad können wir das sogar bestätigen. Als Designer hast du immer das Gefühl, nur so gut zu sein wie deine letzte Kollektion. Und natürlich verändert man mit seiner Arbeit in der Mode nicht die Welt. Dennoch: Wie man ein Buch nicht nach seinem Cover beurteilen sollte, kann man das auch nicht mit Jobs in der Modebranche. Die Arbeit ist hart, und es gibt so viele tolle Menschen, die hinter den Kulissen an grossartigen Innovationen feilen.
F: Welche Tipps gebt ihr jungen Gründern mit, die ebenfalls ihr eigenes Label starten möchten?
MFC: Wenn du es schaffst, deine Leidenschaft in deinen Beruf zu verwandeln und bereit bist, hart dafür zu arbeiten und das Risiko einzugehen, dann zögere nicht, einfach loszulegen. Harte Arbeit aus Leidenschaft zahlt sich immer aus, und wenn du wirklich daran glaubst, dann kannst du auch andere von deinen Ideen überzeugen. Glaub an dich! Du musst nicht 110 Stunden pro Woche arbeiten, um anderen zu beweisen, dass du talentiert bist und zu Recht dort stehst, wo du bist.
F: Wie habt ihr als Kinder über das Arbeiten in der Modebranche gedacht, und wie ist es wirklich?
MFC: Die Mode hat mich ausgesucht, nicht umgekehrt. In Wahrheit wollte ich eigentlich nie Modedesigner werden, es ist einfach passiert. Ich habe also tatsächlich gar nie davon geträumt oder mir vorgestellt, wie die Arbeit mit Mode sein könnte. Meiner Meinung nach haben die Menschen die Vorstellung, dass ein Job in der Modebranche glamourös ist und mit extrem viel Spass verbunden. Aber ich kann euch allen versichern, dass es wenig mit Champagner und Partys zu tun hat. Es steckt viel harte Arbeit dahinter, aber natürlich trifft man dabei immer wieder auf fantastische und extrem innovative Menschen.
MBM: Ich habe alles geglaubt, was ich in den Magazinen gelesen habe. Viele denken, es wäre ein extrem handwerklicher Beruf – das ist wohl der grösste Irrtum. Man hört nie damit auf, Kleidung aufzubügeln, Boxen zu transportieren und allerlei Dinge zu organisieren. Ich liebe es trotzdem!
F: Wie verbringt ihr eure Samstage?
MFC: Morgens starte ich mit viel Kaffee in den Tag, sitze dabei auf meinem Bett und lese Modemagazine, während ich entspanne. Mittags treffe ich meine Freunde zum Lunch oder auf ein Glas Wein, und am Nachmittag besuche ich Ausstellungen, Flohmärkte, Museen oder gehe ins Kino.
MBM: Ich versuche stets früh aufzustehen. Dann hole ich mir einen Kaffee ganz in der Nähe meines Zuhauses bei Prolog und geniesse die Stimmung der Stadt, die gerade erwacht. Ich liebe es, wenn meine Agenda samstags ganz leer ist und ich einfach gemütlich durch die Stadt spazieren, einkaufen, ein Glas Wein geniessen und verschiedene Gerichte aus der ganzen Welt probieren kann.
F: Tragt ihr auch Jogging-Hosen?
MFC: Nein, ich trage nie welche. Da zitiere ich Karl Lagerfeld: „Jogging-Hosen sind ein Zeichen des Scheiterns. Du hast die Kontrolle über dein Leben verloren und dir deshalb ein Paar Jogging-Hosen gekauft.“ So sehe ich das.
MBM: Ich besitze welche. Aber richtig schicke.
F: Wo entwerft ihr eure Kollektionen?
MFC: Die Ideen sammeln sich in meinem Kopf und werden klarer, wenn ich unsere Fabriken und Lieferanten besuche oder dann im Büro am Computer sitze. Für mich ist Inspiration ein konstanter Zustand.
F: Könntet ihr euch für ein Kleidungsstück aus eurem Kleiderschrank entscheiden und dieses dann für immer tragen?
MFC: Das geht nicht.
MBM: Für mich ebenfalls nicht. (lacht)
F: Was sammelt ihr?
MFC: Ich sammle tatsächlich leidenschaftlich gerne. Zum Beispiel die farbigen Design-Tassen von Peter Shire, Glas aus Murano, Kunst, Lampen von Floss… aber vor allem sammle ich Designer-Möbel aus den 50ern und Schmuck. Ich besitze sehr viele Stücke in Gold und Silber von Vivianna Torun Bülow Hübbe für George Jensen.
F: Worüber solltet ihr euch weniger Gedanken machen?
MFC & MBM: Über Männer. (lachen)
F: Was steht ganz oben auf eurer Bucket-List?
MFC: Wenn es um Blanche geht, dann möchte ich noch mehr Zertifizierungen und Eco-Labels erhalten und noch grüner werden. Persönlich steht ein Besuch von Tokio ganz oben auf meiner Liste.
MBM: Ich möchte den Mount Everest besteigen – oder den Kilimanjaro, das ist vielleicht etwas realistischer.
F: Welche Stadt bereist ihr am liebsten?
MFC: Meine Lieblingsstädte sind Los Angeles und Hong Kong.
MBM: New York hat für immer einen Platz in meinem Herzen.
F: Wann fühlt ihr euch am lebendigsten?
MFC: Wenn ich mit meinen Freunden und der Familie zusammen bin, oder wenn ich reise, neue Dinge entdecke und neue Menschen kennen lernen.
Mette Fredin Christensen
Acht Jahre lang hat Mette Fredin Christensen als Chefdesignerin 2NDDAY gross gemacht. Zeit, die Erfahrung als Creative Director bei Blanche einzubringen. Zu sehen, wie sehr die Modebranche die Welt verschmutzt und wie viel Fast Fashion produziert wird, hat in ihr den Drang ausgelöst, aus dem Konventionellen auszubrechen und gemeinsam mit Kollegin Melissa das Label Blanche zu starten.
Melissa Bech Madsen
Head of Sales bei Wood Wood & Norse Projects, Fashion Director beim Cover Magazin und nun Commercial Director bei Blanche: Melissa Bech Madsen kennt wirklich alle Facetten der Modebranche. Eigentlich wollte sie ja Anthropologie studieren – ein Vorsatz, der noch immer nicht ganz vom Tisch ist. Den Bewegungen der Mode nicht einfach nur zu folgen, sondern diese selber zu kreieren, war ihr Auslöser, von der Magazin- auf die Seite des Labels zu wechseln.
Der Blanche-Copenhagen-City-Guide
Mette und Melissa leben in Kopenhagen und lieben ihre Stadt. Dieses Fieber ist ansteckend.
Der Vibe
Jeder Stadtteil ist ein bisschen anders. Am besten setzt man sich einfach auf eine Bank, beobachtet die Menschen und lässt sich inspirieren. In Nørrebro spürt man den Vibe der Stadt enorm, und es gibt Menschen von überall auf der Welt.
Die Faszination
Kopenhagen bietet so viele Möglichkeiten. Coole und relaxte Menschen fahren auf ihren Fahrrädern durch die wunderschöne Umgebung. Die Seen, die Parks, die Stadt, das Wasser und die Kanäle. Zudem gibt es so viele faszinierende Gebäude, Museen und Schlösser. Die Atmosphäre ist freundlich und relaxt, und man entdeckt ständig Neues. Nichts ist mit Kopenhagen vergleichbar, die Stadt ist wahrlich einzigartig.
Das Mindset
Kopenhagens Kopf denkt ambitioniert und global, aber im Herzen ist die Stadt ehrlich, aufrichtig und intim.
Der Vergleich
Kopenhagen ist ein ungeschliffener Diamant. Oder wie ein Paar Jeans. Ein Klassiker, der sich mit Sneakers, Sandalen oder High Heels kombinieren lässt.
Die Shops
Wir kaufen vor allem Secondhand, lieben allerdings die Auswahl der Designer-Schuhe in Illum. High-End-Mode kaufen wir am liebsten bei Holly Golightly und Birger Christensen.
Der Foto-Stopp
Zwischen den pastellfarbenen Mini-Häusern beim Hafen. Das ist der ultimative Kopenhagen-Vibe.
Der Brunch
Auf dem Dach des Hotel Sanders bei Sanders Conservatory oder in Mirabelle im Stadtteil Nørrebro. Das Apollo ist ein guter Ausgangspunkt, um danach die Kunsthalle Charlottenborg zu besuchen.
Die Dating-Location
Es ist toll, sich im Mangia mit jemandem ein paar Leckereien zu teilen.
Die Jogging-Route
Nørrebro ist toll für ein bisschen Sport. Die Seen sind besonders morgens wunderschön.
Das Must-Do
Unternimm unbedingt eine Kanal-Rundfahrt im neuen Hafen. Es ist die beste Möglichkeit, die Stadt zu sehen und sich wie im Urlaub zu fühlen. Schnapp dir ein Fahrrad, und radle damit durch alle Stadtteile. Wage dich unbedingt auch aus dem Zentrum!