In diesem Körper leben feuchte Männerfantasien: Die verruchte Rock’n’Roll-Erotik einer Kate Moss, aber mit französischem Akzent auf den Lippen und etwas mehr Fleisch auf den Rippen. Und dieses weiß Emmanuelle Seigner in Szene zu setzen. Bestimmt auch im Ehebett, welches sie mit einem verurteilten Kinderschänder teilt.
Als hätten sich die Stooges mit Brigitte Bardot zusammengetan: Archaische Riffs zersägen die Textzeilen, von denen eine lautet: „Someone drank my blood like a glass of wine.“ Minimalismus in Bild und Ton, ein Clip in Schwarz-Weiß, drei Menschen, ein Mikrofon. Daran hängt ein blondes Gestrüpp, zu dem allerdings nicht die ausgezehrte Lederhaut des Iggy Pop gehört, sondern ein Frauenleib im kleinen Weißen, der im Takt der Stromgitarre zuckt wie ein Aal am Haken. Hat sich das französische Indie-Duo Ultra Orange da zur Verstärkung ein singendes Luxusgroupie geangelt? Nicht ganz. Hinter der Lolita steckt so etwas wie die First Lady des Arthouse-Kinos. Und die Punk-Ästhetik steht ihr vorzüglich. „Geld frisst die Kreativität“, sagt sie in einem TV-Interview. Rückblende, 1983. Wieder blonde Mähne, wieder weißes Kleidchen. Aber hier ist Emmanuelle Seigner 17 Jahre jung. Im digitalen Gedächtnis namens YouTube finden sich Ausschnitte des Castings, welches den Wechsel vom Laufsteg zum Film markiert. Definitiv die Spucke weg bleibt der Männerwelt, als das zum Vamp gereifte Mädchen 1988 Harrison Ford zu Grace Jones’ Version des „Libertango“ vernascht. „Frantic“ heißt der Streifen, Roman Polanski der Regisseur. Richtig; jener Polanski, der in den USA wegen Kindsmissbrauch auf der Fahndungsliste steht. Und der verpflichtet seine 33 Jahre jüngere (aber immerhin volljährige) Muse gleich mal so lange, bis der Tod sie scheidet. Oder der Scheidungsrichter, was allerdings nicht absehbar ist. Das Paar lebt zufrieden an der Pariser Rue de Montaigne, zwischen Champs Elysées und Uferpromenade, Chanel und Dior als Nachbarn. Außer Polanski sitzt gerade mit Fußfesseln in seinem Schweizer Bergchalet fest. Das Verhaftungs-Intermezzo 2009, sagt er, sei für die Familie dramatischer gewesen als für ihn selbst. Sprich, für die Kinder Morgane und Elvis. Die Madame, die kommt schon zurecht. Auch karrieretechnisch. Nach etwas Starthilfe des Gatten (er besetzt sie in „Bitter Moon“, 1992 oder „The Ninth Gate“, 1999) folgt die Emanzipation. Als Musikerin wie als Schauspielerin. Sie interpretiert Songs von Chanson bis Velvet Underground, für den Piaf-Biopic „La Vie En Rose“ steht sie 2007 auf der Nominationsliste des César.
Genau wie diesen Februar, als Hauptdarstellerin eines weitaus delikateren Projekts: „Venus In Furs“. Polanski inszeniert den sexuell aufgeladenen Roman von Leopold von Sacher-Masoch, dem Namensgeber des Worts „Masochismus“: Eine zur Softcore-Dominan gestylte Seigner wickelt den armen Mathieu Amalric um den lackierten Fingernagel. Ein auf zwei Personen und einen Pelzmantel reduziertes Spiel mit Klischees und Rollenbildern. „Mit der Frau in der Täter-Rolle“, betont die blonde Furie. Quasi als Geschenk zur silbernen Hochzeit – tatsächlich, schon 25 Jahre – belohnte die Jury aber nicht die Dame, sondern ihren Gatten, mit dem César für die beste Regie. Was soll’s. Bleibt ja in der Familie.
„Venus im Pelz“ (Ascot Elite) erscheint am 28. März auf DVD.