Mode kann mehr sein als schöne Kleidung. Mit dem T-Shirt-Slogan „Girls can do anything“ macht Zadig et Voltaire Chefdesignerin Cecilia Bönström Mode zur Message, die sie mit dem gleichnamigen Parfum noch weiterträgt.
FACES: Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir uns in Paris getroffen haben, um die ersten Düfte von Zadig et Voltaire zu entdecken.
Cecilia Bönström: Damals waren so viele Journalisten da, es war der Wahnsinn! Und die Parfums „This is him“ und „This is her“ wurden so gut angenommen, sogar in Schweden und in Russland, das hat mich sehr überrascht, denn schliesslich gibt es so viele Luxuslabels, die ihre eigenen Düfte auf den Markt bringen, und Zadig et Voltaire ist dann ja doch mehr ein Label, das den Moment zelebriert.
F: Dann hat dich dieser Erfolg sehr überrascht?
CB: Ja schon, denn ich versuche immer, meine Erwartungen klein zu halten und mir keine Vorstellungen vom Erfolg zu machen. Wenn ich arbeite, versuche ich mich genau darauf zu konzentrieren und nicht über das Resultat nachzudenken.
F: Du gehst also immer vom schlimmsten aus?
CB: (lacht) Nein, so würde ich das nicht sagen. Ich lebe den Moment – egal, ob es gerade um die Entwicklung einer neuen Kollektion oder eines Duftes geht oder darum, Zeit mit meinen Kindern oder beim Sport zu verbringen. Ich bin der Überzeugung, dass man sich viel weniger Sorgen machen sollte und es besser ist, sich nicht im Voraus schon so viele Gedanken zu machen.
F: Und auch wenn du so vielbeschäftigt bist, findest du noch die Zeit, ein neues Parfum zu lancieren.
CB: Um das zu schaffen, muss das Team stimmen. Es geht darum, gemeinsam positive Energie zu erzeugen – jeder muss am selben Strang ziehen. Aber Teamwork kann auch ein Teufelskreis sein: Schlechte Energie vermehrt sich genauso wie positive. Glücklicherweise kann ich auf tolle Menschen zählen, die mich dazu bringen, an mich zu glauben. Auch unser Partner Shiseido hat sich viel Mühe gegeben, Zadig et Voltaire richtig kennen zu lernen, sich unsere Kollektionen anzusehen und die Philosophie zu verstehen. Deshalb haben sie auch Quentin Bisch als Parfumeur ausgewählt, der Maskulinität und Femininität im Flakon zusammenbringt und auch mal etwas wagt, anstatt den einfachen Weg zu gehen. Es ist ein grosser Unterschied, Mode oder Parfums zu entwerfen. Kollektionen sind fassbar, Düfte dagegen abstrakt.
F: Der Duft heisst „Girls can do anything“ – wie kam es dazu?
CB: Derselbe Spruch befindet sich auf einem unserer T-Shirts einer vorangegangenen Kollektion, etwa vor eineinhalb Jahren. Dieses Projekt hat damals bereits alle umgehauen, der Slogan war einfach perfekt.
F: Weshalb ist es heute so wichtig, Frauen zu unterstützen und in ihrem Sein zu bestärken?
CB: Nur einer muss sich trauen, etwas zu sagen, und schon springt dieser Elan auf den nächsten über. Wir haben dieses T-Shirt mit der Aufschrift „Girls can do anything“ vor eineinhalb Jahren auf dem Laufsteg gezeigt, ohne die Auswirkungen zu erwarten, die es tatsächlich hatte. Es war Intuition, eine positive Nachricht, die wir in die Welt hinaustragen wollten, eine Erinnerung daran, dass Frauen tatsächlich alles schaffen können, was sie sich vornehmen. Natürlich gab es diese Bewegung schon immer, sonst könnten wir heute nicht wählen, arbeiten oder uns so anziehen, wie wir es heute tun. Denn andere Frauen haben für uns die Arbeit geleistet, haben sich aufgebäumt und Gleichberechtigung gefordert – und das haben wir vergessen. Wir sollten dankbar sein, dass wir mit den Ergebnissen leben dürfen, die andere für uns geschaffen haben. Schliesslich gibt es immer noch so viele Länder, in denen Frauen Menschen zweiter Klasse sind. In Pakistan gehen 70 Prozent aller Mädchen nicht mal zur Schule, das ist doch schlimm! Wir hingegen haben heute Freiheiten, von denen andere noch träumen, und genau deshalb ist es so wichtig, für alle Frauen einzustehen.
F: Die Gender-Debatte ist sicher ein Thema, der sich die Mode annehmen muss. Nachhaltigkeit ist ein weiteres. Brauchen wir denn überhaupt Fast Fashion?
CB: Nein, definitiv nicht. Zadig et Voltaire ist da auch ganz anders gepolt als viele andere Labels. Wenn ich mir grosse Konzerne ansehe, die munter immer weiter und immer mehr produzieren, dann frage ich mich schon, wer das alles tragen soll und welche Auswirkungen diese Überproduktionen auf die Umwelt haben. Dieser Wandel betrifft aber nicht nur die Mode, wir konsumieren allgemein viel zu viel. Wir sind wahnsinnig verwöhnt. Wie wird das enden? Ich habe keine Antwort. Aber ich versuche, es im Kleinen besser zu machen. Ich schalte das Licht aus, wenn ich es nicht brauche, ich benutze im Hotel mehrmals dieselben Handtücher, ich nehme zum Shoppen meine eigene Trage-tasche mit und verzichte so auf Plastiktüten, ich spaziere, anstatt das Taxi zu nehmen.
F: Hast du das Gefühl, dass sich auch die Mode damit auseinandersetzt?
CB: Ich habe viele Meetings, die sich genau um diese Problematik drehen. Die Branche weiss, dass sie etwas tun muss. Wir müssen unserem Planeten Sorge tragen.
F: „Girls can do anything“ riecht nach Selbstbewusstsein und nach Energie. Wie beschreibst du den Duft deines Zuhauses?
CB: Sauber, wie Seife vielleicht, so wie Babys riechen. Das ist ein genauso wichtiger Teil für unsere eigenen Parfums, weil ich ein bisschen dieser Gemütlichkeit und dieses Gefühls zuhause zu sein, auch in den Düften von Zadig et Voltaire transportieren möchte.
F: Auf der Welt gibt es so viele Probleme, ohne theatralisch werden zu wollen. Wie erziehst du darin deine Kinder?
CB: Mir sind Werte sehr wichtig, das ist vielleicht etwas, was meinen schwedischen Wurzeln zu Grunde liegt. Wenn meine Kinder ein Paar Sneakers bekommen, dann tragen sie diese, bis sie auseinander fallen. Wenn ich ihnen T-Shirts aus unserer Kollektion bringe, ziehen sie diese an, bis sie ihnen zu klein sind. Qualität geht vor Quantität – das möchte ich ihnen zu verstehen geben. Ich ziehe drei Jungs gross, zukünftige Männer, die Frauen wertschätzen sollen, das ist meine Mission.
F: „Boys can do anything“ – vielleicht dürfen wir ja bald auf noch ein Parfum hoffen?
CB: Das wäre möglich, Frauen und Männer sind wie eine Batterie, Plus und Minus, wir brauchen einander. Das T-Shirt für Männer gibt es bereits, warum nicht auch bald den zugehörigen Duft?