Jordi Fernandez ist der Mann, der hinter fünf Düften von Atelier Versace steckt. Der Parfumeur aus dem Hause Givaudan verrät uns im Interview, dass seine Arbeit gar nicht so glamourös ist, wie man denken würde, und weshalb er, der „Master of Oud“, tatsächlich ein bisschen in Patchouli verliebt ist.
FACES: Sie arbeiten für Givaudan, einen der grössten Parfumhersteller der Welt. Wie müssen wir uns einen typischen Arbeitstag eines Parfumeurs vorstellen?
Jordi Fernandez: Nun, ich bin Frühaufsteher und definitiv ein Morgenmensch. Deshalb bin ich bereits gegen 8 Uhr im Büro, trinke schnell einen Kaffee und checke meine Mails, bevor ich mich auf die Kreationen des Vortages stürze und an neuen Formeln arbeite. Die Arbeit eines Parfumeurs hat viele Dimensionen, und wir sind auch in den Bereichen Bewertung und Marketing tätig. Zwei Wochen pro Monat verbringe ich in meinem Labor in Barcelona, die restliche Zeit in meinem Büro in Dubai.
F: Natürlich gibt es Vorurteile über ihren Job als Parfumeur. Welche stimmen und welche sind falsch?
JF: Viele Menschen glauben, dass die Parfumeure direkt mit den Marken zusammenarbeiten oder dass die Marken selbst die Parfumeure hinter einer Kreation sind. In Wirklichkeit arbeiten wir meist für Unternehmen, die an verschiedene Marken verkaufen. Es ist eine Business-to-Business-Branche, und häufig ist der Parfumeur am Ende eines Projektes gar nicht so präsent. Wir sind zwar ein wichtiger Teil des Endprodukts, aber die Anerkennung dafür erhalten wir eher selten. Ein Parfumeur arbeitet auch nicht alleine, sondern gemeinsam mit Teams, die sich ums Marketing oder die Evaluierung kümmern.
F: Was sind die wichtigsten Eigenschaften eines guten Parfumeurs?
JF: Geduld, Ausdauer und harte Arbeit, also Unverwüstlichkeit. Unsere Branche ist sehr anspruchsvoll und voll von Menschen mit viel Talent. Man braucht enorm viel Durchhaltewillen und muss sich selbst immer wieder in Frage stellen und sich verbessern, um ein gutes Niveau zu erreichen.
F: Wie ist es möglich, immer wieder neue Ingredienzien und Inhaltsstoffe zu entwickeln?
JF: Mit viel Forschung. Die Zusammenarbeit zwischen den Parfumeuren und den Wissenschaftlern ist entscheidend. Sie haben ein offenes Ohr für unsere Bedürfnisse in Bezug auf das olfaktorische Profil der Ingredienzien und entwickeln Ideen für neue Moleküle, die auf möglichst umweltfreundliche Weise synthetisch hergestellt werden.
„Hinter den Kreationen von Atelier Versace steckt enorm viel Freiheit.“
F: Sie werden oft als „Master of Oud“ bezeichnet. Was fasziniert Sie so sehr an dieser Duftnote?
JF: Ich fühle mich sehr geehrt, so genannt zu werden. Ich war schon immer von der orientalischen Parfumerie verzaubert, davon, wie sie ihre Parfums auftragen und von deren Tiefe. Am meisten liebe ich an Oud die komplexe Persönlichkeit. Wenn man zum Beispiel natürliches Holz verbrennt, zeigt es seine einzigartige weiche, balsamische und samtige Note, aber sobald man eine winzige Menge in den Duft gibt, entfaltet es eine reiche, animalische Tiefe. Nicht zuletzt ist Oud eine perfekte Mischung mit vielen anderen meiner Lieblingsstoffe wie Rose, Vanille und Akigalawood.
F: Fünf Versace-Parfums haben Sie bereits kreiert. Was verbinden Sie mit dieser Marke?
JF: Der Duft dieser Marke ist einzigartig, originell und glamourös, und die Parfums sind mit edlen Inhaltsstoffen wie Safran, Vanille, Weihrauch oder rotem Ingwer besonders luxuriös.
F: Wie beginnen Sie damit, ein neues Parfum zu kreieren?
JF: Alles beginnt mit einer Idee, die aus vielen Inspirationsquellen stammt und das Parfum visualisiert. Dann wird diese Idee in eine Formel übertragen, die im Labor zu einem echten Duft zusammengesetzt wird. Dabei gibt es natürlich zahlreiche Versuche und viele Kombinationsmöglichkeiten, bis wir das Endergebnis fein abgestimmt haben. Auch das Briefing, das wir von den Kunden erhalten, gibt uns die Richtung vor, die wir einschlagen werden. Zudem helfen uns Farben und Moodboards bei der Auswahl der Rohstoffe, die wir verwenden werden.
F: Wie unterscheiden sich die Parfums von Atelier Versace von Massenmarkt-Düften?
JF: Hinter den Kreationen von Atelier Versace steckt enorm viel Freiheit, wohl dieselbe Freiheit, die auch in den Mode-Kollektionen zu finden ist. Versace setzte mir keinerlei Grenzenbeim Entwerfen der Düfte, also habe ich über den Tellerrand hinaus geschaut und konnte ohne Einschränkungen auf den Preis oder ähnliches die Ingredienzien verwenden, die ich wollte.
F: Die Parfums von Atelier Versace besteht aus Nischendüften. Es scheint, dass heute jeder nach Nischenparfums sucht. Warum ist das so?
JF: Die Menschen interessieren sich immer mehr für Parfums und deren Entstehung und wollen ausgefallene Ideen und Düfte mit Persönlichkeit, die originell, lang anhaltend und umweltfreundlich sind. Die Ansprüche sind definitiv gestiegen, und das ist ein Grund dafür, weshalb sich der Markt der Nischenparfums stetig erweitert.
F: Was ist Ihre Definition eines Nischenparfums?
JF: Ich würde sagen, jedes Parfum, das mit den olfaktorischen Regeln bricht und seinen eigenen Weg geht. Eine Explosion von ehrlicher, grenzenloser Kreation ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse des Marktes.
F: Worauf achten Sie bei der Auswahl Ihres eigenen Parfums?
JF: Mein Parfum soll zu meiner Persönlichkeit und meiner Stimmung passen. Im Alltag benutze ich kein Parfum, da es mich bei der Arbeit verwirren könnte, aber wenn ich kann, wähle ich etwas, mit dem ich mich wohl fühle und das mir dieses Gefühl von etwas Besonderem verleiht.
F: Was ist Ihr liebster natürlicher Duft?
JF: Patchouli ist eine Ikone der Parfumerie mit einer unverwechselbaren, zeitlosen olfaktorischen Signatur. Oft steht Patchouli im Mittelpunkt meiner Kreationen, da es dem Duft Reichtum und Komplexität verleiht. Für mich ist es das schlagende Herz des Parfums, eine einzigartige Säule, die die Kraft und Macht der Natur repräsentiert.
F: Was ist die wichtigste Lektion, die Sie als Parfumeur gelernt haben?
JF: Dass man niemals aufgeben darf. Die Parfum-Branche ist hart und anspruchsvoll. Vor allem am Anfang wird man viel öfter verlieren als gewinnen. Deshalb muss man geduldig und konsequent sein, um mit Misserfolgen umgehen zu können und weiterzumachen. Ich bin seit mehr als 20 Jahren in dieser Branche tätig und arbeite jeden Tag daran, mich weiterzuentwickeln und besser zu werden.
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