Für ihn reist der Tattoo-Fan nach Los Angeles: Dr. Woo. Minimalistische Tattoos, feine Linien und grazile Motive sind das, wofür seine Kunden monatelang auf einen Termin warten. Bei Roger Dubuis ging dann alles ganz schnell: Denn für die Uhrenmarke hat Dr. Woo die Excalibur Dr. Woo MT entworfen, eine Uhr, deren Design genauso unter die Haut geht wie des Artists Kunst.
Interview: Mirco Ludolini
Redaktion: Simona Bieri, Marina Warth
FACES: Du hast für eine Kollektion mit Roger Dubuis zusammengearbeitet. Was bringt einen Tattoo-Künstler und eine Uhrenmarke zusammen?
Dr. Woo: Über eine Zusammenarbeit mit Lamborghini wurde ich mit der Uhrenmarke Roger Dubuis verbunden. Das angedachte Projekt klang cool, die Leute gefielen mir, es hat einfach alles gepasst. Nach dem Kick-Off war ich noch mehr Feuer und Flamme, weil Roger Dubuis meinen Stil exakt erfasst und perfekt getroffen hat. Danach lief alles so flüssig, das bin ich gar nicht gewohnt. Ich arbeite ja sehr oft mit vielen verschiedenen Menschen an den unterschiedlichsten Projekten, und das ist gar nicht immer so einfach.
F: Haben dich Uhren schon immer interessiert, oder hat diese Kooperation deine Liebe für Zeitmesser entfacht?
DW: Ich besaß davor einige Modelle von Rolex, war aber definitiv nicht so versessen auf Uhren wie meine Freunde. Viele davon sind richtige Fans und Uhrenkenner! Die Zusammenarbeit mit Roger Dubuis hat mich definitiv auf den Geschmack gebracht, meinen Blick für diese Branche geschärft und meinen Respekt für das Uhrenhandwerk entfacht.
F: Du bist als Tätowierer weltbekannt, dein neues Buch handelt von Tattoos, und oft bleibst du bei deinen Kooperationen in dieser Welt. Gehst du auch Projekte an, die nichts mit dem Tätowieren zu tun haben?
DW: Ja! Es gibt eine Menge kreativer und neuer Projekte, die mir am Herzen liegen, wie zum Beispiel die Umsetzung von Geschichten in der Marken- oder Produktentwicklung. Das Tätowieren ist natürlich meine Passion, deshalb steckt darin besonders viel meiner Energie. Normalerweise ist diese Arbeit aber auch eine Möglichkeit, den Menschen die Augen für andere Themen zu öffnen, von denen sie nichts wussten.
F: Stichst du als Opa noch Tattoos?
DW: Das weiß ich nicht, aber ich denke viel darüber nach. Tätowiere ich weiter wie bisher, dann nicht aus Karriereüberlegungen, sondern nur zum Spaß. Als Kreativer musst du darauf achten, dass aus deiner Leidenschaft nicht irgendwann nur ein Job wird.
F: Wie viel deines Erfolgs als Dr. Woo ist Kunst und wie viel davon ist Marketing?
DW: Es ist wohl eine Mischung aus beidem. Ein großer Teil meines Erfolgs war das Verständnis von Branding und Marketing. Man muss begreifen, dass man nicht nur eine Sache verkauft, sondern eine Geschichte und ein Umfeld, zu dem die Menschen gehören. Es gibt so viele Hintergrund- und Zukunftsgeschichten, aber es ist wichtig, dass alles in Balance bleibt.
F: Gefängnisinsaßen haben die Tattoo-Kultur maßgeblich geprägt. Heute sind Tattoos allerdings im Mainstream angekommen, und die Qualität geht stark auseinander.
DW: Tatsächlich kommen einige der besten Tattoos, die ich je gesehen habe, aus dem Gefängnis. Meiner Meinung nach kommen einige der besten Tattoos der Welt aus Los Angeles. Dort gibt es eine Menge Geschäfte und viele Menschen, die Tattoos auch einfach in der Garage stechen. Ich denke, der Zugang zu Tattoos ist dort einfach breiter, die Menschen sind offener, und deshalb finden sich in L.A. so viele legendäre Shops und Tätowierer, die ihrerseits die Kultur von Tattoos mitprägen.
F: Gibt es jemanden, dem du ein Tattoo verweigern würdest?
DW: Ja, manchmal kommen Leute, weil sie der Meinung sind, dass sie ein Tattoo haben sollten, auch wenn sie es eigentlich gar nicht wirklich wollen.
F: Worin liegt deine Faszination für Los Angeles?
DW: In L.A. gibt es so viele verschiedene Kulturen. Man hat dadurch Zugang zu allen möglichen Arten von Menschen, zu unterschiedlichen Küchen und Gerichten aus aller Welt. Los Angeles ist ein Ort, an den man mit nichts kommen und sich das größte Leben aufbauen kann, wenn man dafür hart arbeitet. Zudem ist das Wetter großartig, man ist nahe am Strand, nahe bei der Wüste und kann auch problemlos mal einen Abstecher ins verschneite Gebirge wagen.
F: Lässt du dich selbst noch tätowieren?
DW: Manchmal schon! Aber nicht sehr oft.
F: Und stichst du dich dann selber?
DW: Nein, ich frage einen Freund oder jemand anderen.
F: Lässt du dich von anderen Künstlern inspirieren, oder siehst du andere Tattoo-Artists eher als Konkurrenz?
DW: Es ist sicherlich beides. Natürlich inspiriert man sich gegenseitig, allerdings ist die Welt so übersättigt mit Tattoo-Artists, dass automatisch ein Wettbewerb entsteht. Ich finde, man sollte sich deshalb umso mehr auf sich selbst konzentrieren und sein eigenes Ding machen. Es ist doch viel besser, sich gegenseitig zu inspirieren, als etwas, das man an sich selbst nicht mag, in jemand anderem zu sehen.
F: Du tätowierst keine Gesichter, ist das richtig? Angenommen, ein Prominenter wie David Beckham würde zu dir kommen und sagen, dass er ein Gesichtstattoo möchte, würdest du es dennoch machen?
DW: Vielleicht. Diese Regel habe ich tatsächlich einmal aufgestellt, aber eher im Hinblick auf junge Menschen, die im Alter von Siebzehn oder Achtzehn zu mir kommen und ohne guten Grund ein Tattoo im Gesicht haben wollen.
F: Die Tattoos, die du machst, sind Kunstwerke, die du nie wieder siehst. Gibst du damit auch immer ein Stück von dir selber her? Und würdest du deine Werke eines Tages wiedersehen wollen?
DW: Ja! Für mich geht es bei Tattoos nicht so sehr um die Farbe, sondern mehr um den Moment und die Geschichte, die man in dieser Zeit erlebt. Egal, an welchem Punkt im Leben man sich befindet, ein Tattoo passt immer dazu. Es ist immer schön, ein Tattoo wieder zu sehen, vielleicht würde ich aber auch sagen: Oh Gott, komm zurück, wir müssen das ausbessern! (lacht)
F: Was ist dir lieber: Menschen, die mit einer klaren Vorstellung ihres Tattoos zu dir kommen, oder solche, die dir komplett freie Hand lassen?
DW: Früher hätte ich mich für die Carte Blanche entschieden, aber heute bevorzuge ich es, wenn meine Kundinnen und Kunden wissen, was sie wollen.
Entweder – oder mit Dr. Woo
Lakers oder Clippers:
Lakers
In-N-Out oder Johnny Rockets:
In-N-Out
Hiphop oder Rock:
Rock!
Vans oder Converse:
Converse
Wein oder Bier:
Bier
Sushi oder Pizza:
Sushi
Red carpet oder das eigene Wohnzimmer:
das Wohnzimmer
Großes oder kleines Tattoo:
großes Tattoo
Leder- oder Stahlarmband:
Stahl, wobei ich beide sehr cool finde