Mit der Unterscheidung zwischen Arbeit und Freizeit tut Silvan Borer sich schwer – denn als Designer verschwimmt das eine für ihn täglich mit dem anderen. Wie es der Schweizer dorthin geschafft hat, wo er heute ist, und wie wenig er sich von AI und schlechten Tagen aus der Ruhe bringen lässt, verrät er im Interview.
FACES: Weshalb bist du Illustrator und Designer geworden und wie war dein Weg dahin?
Silvan Borer: Nach oder vielmehr schon während meiner Schulzeit wusste ich nicht so wirklich, wohin mit mir. So kam es, dass ich nach der obligatorischen Schuldauer eine Lehre als Landschaftsgärtner absolvierte – so richtig wohl fühlte ich mich damit aber nicht. Über Umwege habe ich dann wissenschaftliche Illustration studiert und mich nach dem Abschluss meines Studiums direkt selbständig gemacht. Ich erinnerte mich, dass ich als Kind gerne zeichnete und war der Überzeugung, dass das damals aus einem ehrlichen Interesse heraus entstand. Daraus resultierte schlussendlich auch mein Entscheid, mich voll und ganz dem Zeichnen und Designen zu widmen.
F: Wie definierst du Kunst?
Silvan Borer: Kunst lässt sich meiner Meinung nach nicht definieren – sie ist alles und doch nichts. Sie kann – muss aber nicht.
F: Wonach bemisst sich deiner Meinung nach der Wert von Kunstwerken?
Silvan Borer: Ziemlich pragmatisch – am schlussendlich bezahlten Preis des Werkes.
AI-Kunst und ein Blick in die Zukunft
F: Was sagst du zu AI-Kunst, und fühlst du dich und dein Handwerk davon bedroht?
Silvan Borer: Die Dinge entwickeln sich nun mal. Den mittlerweile sehr einfachen Zugang zur künstlichen Intelligenz sehe ich als Chance, meine Kreativität und das damit verbundene Handwerk neu zu denken. Wie so oft werden Entwicklungen erst mal als bedrohlich eingestuft – künstliche Intelligenz ist für mich in erster Linie eine Technologie, und es liegt an mir, was ich daraus mache.
F: Ist Kunst nur, was Menschenhand erschaffen kann?
Silvan Borer: Nein. Aber Menschen neigen dazu, nach der Definition von Kunst zu suchen.
F: Auf welche technologische Errungenschaft möchtest du in deinem Arbeitsalltag nicht verzichten und welche macht dir Angst?
Silvan Borer: Dem Internet verdanke ich sehr viel. Glücklicherweise habe ich sehr gut verstanden, wie ich es für mich nutzen kann. Ich bin nicht ängstlich. Wenn mir etwas suspekt erscheint, macht mich das neugierig.
Die liebe Muse…
F: Wie schaffst du es, jeden Tag kreativ zu sein, und was tust du, wenn dich die Muse einmal nicht küsst?
Silvan Borer: Wenn mir die Muse fehlt, dann spaziere ich oder treibe Sport.
F: Welcher deiner Erfolge macht dich am meisten stolz?
Silvan Borer: Dass ich meinen eigenen Weg gefunden habe und mich durch Ablehnung nicht von meinen Ideen abbringen lasse.
F: Für welches Unternehmen oder welchen Brand würdest du gerne einmal arbeiten und weshalb?
Silvan Borer: Da gibt es einige. Im Moment zieht mich die Mode- und Designwelt sehr an. Ich würde gerne alles um mich herum gestalten und kuratieren.
F: Erinnerst du dich an den Moment, als du eine deiner Arbeiten zum ersten Mal veröffentlicht sahst?
Silvan Borer: Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich nicht mehr wirklich daran erinnern. Das ist alles auch super schnell passiert. Generell ist es aber motivierend zu sehen, dass meine Arbeiten, Konzepte und Ideen ihre Berechtigung finden und ihre Spuren hinterlassen.
Zeichnen und Kreieren als Beruf
F: Hast du beim Zeichnen und Entwerfen Regeln, denen du folgst?
Silvan Borer: Das Entwerfen ist der wichtigste Teil für mich. Ich versuche, erst einmal Ideen zu generieren und ihnen dann eine Form zu geben. Ohne Regeln.
F: Das Zeichnen und Kreieren ist dein Beruf. Bist du es da in deiner Freizeit leid und beschäftigst dich lieber mit anderen Dingen?
Silvan Borer: Es ist ein Privileg: Mein Beruf ist meine Freizeit. Wenn man so will, gibt es also beides als solches für mich nicht. Dementsprechend bin ich es auch nicht leid – im Gegenteil. Ich liebe es, Dinge zu kreieren, und mein Beruf umfasst ja so viel mehr als die Gestaltung. Ich darf viele spannende Einblicke gewinnen, bewegende Bekanntschaften machen und mich voll und ganz meinen Ideen widmen – manchmal will ich mich gar nicht zu sehr mit anderen Dingen beschäftigen.
F: Was liegt alles auf deinem Arbeitsplatz, und ist dieser aufgeräumt oder ein kreatives Chaos?
Silvan Borer: Mein Arbeitsplatz ist aufgeräumt – ich mag es so. Bei zu viel Unordnung fühle ich mich nicht wohl. Da ich digital und analog arbeite, habe ich zwei Arbeitsplätze. Auf einem befinden sich mein Laptop und ein Grafiktablet, auf dem anderen Stifte und Farben, ansonsten nichts.
Kreatives Chaos
F: In welcher Beziehung erfüllst du das Klischee des kreativen Chaoten?
Silvan Borer: Vielleicht insofern, dass ich nach meinen eigenen Regeln und Logik funktioniere und mir nicht viel aus Konventionen mache.
F: Welches Motiv fällt dir am leichtesten, und woran beißt du dir die Zähne aus?
Silvan Borer: Ich mag es, schöne (organische) Dinge darzustellen. Karikaturen sind nicht so meins.
F: Welches ist dein liebstes Kunstmuseum?
Silvan Borer: Da gibt es verschiedene. Kürzlich hat mir ein Freund den Pirelli HangarBicocca in Milano gezeigt – die Exponate von Anselm Kiefer und Dino Seshee Bopape haben mich sehr berührt. Die Ausstellungen im Zürcher Rietberg Museum sind spannend kuriert, und es gibt immer so viel zu entdecken. Ein Besuch dort ist jeweils eine Reise in eine andere Welt und sehr inspirierend. Die Fondation Beyeler oder das Museum of Contemporary Art in Tokyo sind beide sehr vielschichtig und interessant.
F: Wenn du das Geld dafür hättest, welches Kunstwerk hänge bei dir an der Wand oder stünde in deinem Wohnzimmer?
Silvan Borer: Ich hänge nichts an meine Wände. Hier gibt es nur ganz viele Bücher und Magazine. Aber die Designs von Henry Timi finde ich sehr schön.
So viele Talente
F: Welche Talente außer dem Entwerfen und Zeichnen schlummern noch in dir?
Silvan Borer: Eine meiner Stärken ist sicher, dass ich Zusammenhänge verstehe und ein Gefühl für Ästhetik habe. Gepaart mit etwas Mut und Neugierde hat das mitunter auch dazu geführt, dass meine Arbeit immer konzeptioneller und vielschichtiger wird. Mittlerweile entwickle ich Konzepte, schreibe, entwerfe und gestalte Dinge und Räume, produziere Musik, bin im Modedesign tätig, arbeite mit Kreativen aus den verschiedensten Bereichen zusammen und liebäugle mit der Architektur.
F: Fühlst du dich als Kreativer in der Schweiz genügend gefördert und ernst genommen?
Silvan Borer: Manchmal mehr, manchmal weniger – das ist alles total abstrakt.
F: Was macht für dich einen guten Tag aus?
Silvan Borer: Jeder Tag ist für mich ein guter Tag – und wenn dem einmal nicht so ist, ändere ich es, damit aus einem schlechten ein guter Tag wird.
Besuche Silvan Borer auf seiner Webseite, und tauche ins Universum des Designers ein.
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Teaserfoto: © ko photography