Manchmal findet man beim Stöbern nicht nur Schätze, sondern auch seinen Seelenverwandten. So jedenfalls beschreiben Nina Knaudt und Rianna Kounou ihr Aufeinandertreffen 2013, das schliesslich nicht nur zu einer Freundschaft, sondern zu ihrem gemeinsamen Label RIANNA + NINA führte, mit dem sie aus Vintage-Stoffen neue Kleidung designen.
FACES: Wie habt ihr beide zueinander gefunden?
Nina Knaudt: Wir haben uns zufällig auf einer Vintage-Möbelmesse kennengelernt und teilten auf Anhieb eine Leidenschaft für Vintage-Stoffe und auffällig farbenfohe Prints. Durch unseren ähnlichen, bunten und fröhlichen Stil haben wir uns schon von Weitem entdeckt und kamen dadurch ins Gespräch. Wir waren sofort auf einer Wellenlänge und irgendwie wussten wir, dass wir gemeinsam grossartige Sachen schaffen können.
Rianna Kounou: Angefangen hat dann alles 2014 mit einem kleinen Laden namens „Cabinet de Curiosities“, der schnell Kunden aus der ganzen Welt begeisterte. 2017 hatten wir dann mit unserer ersten Ready-to-wear-Kollektion das Debut auf der Paris Fashion Week. Seitdem zeigen wir neben unseren One-of-a-kind-Kreationen zwei jährliche Kollektionen mit eigens entwickelten Print-Mustern.
F: Was war euer erstes Produkt, das ihr für RIANNA + NINA realisiert habt?
RK: Begonnen hat RIANNA + NINA mit unseren One-of-a-kind-Kreationen aus wiederverwendeten Vintage-Seidenschals, die wir in neue luxuriöse Couture-Designs verarbeiten. Auch die Bonbon Bag, welche mittlerweile zu unserem ikonischen Accessoire wurde, war bereits eines der ersten Produkte, mit denen wir damals begonnen haben.
F: Welcher Moment hat alles verändert?
RK & NK: Das kann man schwierig an einem einzigen Moment festmachen, und wir können manchmal selbst kaum glauben, was wir schon gemeinsam erleben durften. Wichtige Meilensteine waren definitiv die Teilnahme am Vogue Salon zur Berliner Fashion Week, unsere Pop-up bei Bergdorf Goodman in New York oder Joyce in Hongkong und als Stars wie Jared Leto oder Rihanna unsere Designs getragen haben.
F: Was versteht ihr unter nachhaltigem Handeln?
RK & NK: In unserem Fall bedeutet das Wertschätzung von schönen Dingen aus der Vergangenheit. Wir arbeiten ja für unsere Kollektionen ausschliesslich mit Vintage Stoffen und verwenden dafür auch Matratzenstoffe aus den 1960ern (die damals übrigens aus sehr edler Seide produziert waren) oder Tischdecken, die fast 100 Jahre alt sind. Wichtig ist nur, dass die Materialien hochwertig sind und wir mit ihnen eine Geschichte weitererzählen können.
F: Wie lebt ihr Nachhaltigkeit?
RK & NK: Wir versuchen, in unserem Alltag immer wieder bewusst nachhaltig zu sein. Wir kaufen keine Plastikflaschen, nehmen immer Körbe oder (bunte) Taschen mit zum Einkaufen, kaufen privat fast ausschliesslich Vintage und gute Lebensmittel. Es geht einfach wirklich um Respekt der Umwelt gegenüber, sowohl in unserem Business, als auch in unserem Privatleben.
F: Kennt ihr die Hände durch die eure Produkte gehen?
NK: Für RIANNA + NINA begann alles mit dem Verwenden handverlesener Vintage-Stoffe, um eine individuelle Geschichte für jedes neue Stück zu kreieren. Mittlerweile ist diese nachhaltige Basis zu unserer Identität geworden und damit der Ausgangspunkt für jeden neuen Kreationsprozess und jede neue Idee. Beim Designprozess orientieren wir uns daher nicht an Saisons. Unsere Stücke verkörpern Geschichten mehrerer Generationen und leben dabei von farbenfroher Zeitlosigkeit. Neben der Wiederverwendung von Vintage-Materialien konzentrieren wir uns auf die Reduzierung unserer Produktion, indem wir uns auf bestimmte Stücke spezialisieren und eine eher kleine, exklusive Auswahl an Stilen präsentieren.
RK: Alle unsere Designs – so wohl One-of-a-kind- als auch die Ready-to-wear-Kollektionen – werden von unserem kleinen Team an Meister-Näherinnen per Hand in unserem Berliner Atelier gefertigt. Alles wird made-to-order produziert, dabei kann auf die individuellen Wünsche der Kundinnen Rücksicht genommen werden. So werden die Stücke zu ganz persönlichen Schätzen und Sammlerstücken im Kleiderschrank.
F: Wie schwer ist es, gute und euren Ideen entsprechende Materialien zu finden, und wo und wie findet ihr diese schlussendlich?
RK: Einfach ist es natürlich nicht, aber das wussten wir von Anfang an, und das macht unsere Stücke ja so besonders. Ich sehe mich da wirklich als Schatzsucherin und liebe nichts mehr, als besondere Stoffe aufzuspüren, ob auf unseren Reisen, Flohmärkten oder über mein Netzwerk. Ich bin ja schon seit über 30 Jahren in diesem Business und kann da zum Glück auf viel Expertise zurückgreifen.
F: Wie seid ihr als Chefinnen?
NK: Wir sehen uns im klassischen Sinne überhaupt nicht als Chefinnen. Wir waren ja viele Jahre nur zu zweit beziehungsweise zu dritt mit Claudia, die von Anfang an für die Produktion verantwortlich war und heute unser Atelier leitet. Mittlerweile sind wir ein Team von 15 Leuten und wahnsinnig stolz, dass wir so tolle Menschen gefunden haben, die wie wir so sehr an RIANNA + NINA glauben und dieselbe Begeisterung spüren. Wir sprechen intern auch immer von der RIANNA + NINA-Family, und so sind wir auch: ein bunter Haufen verschiedener Köpfe und Charaktere, die alle an einem Strang ziehen. Es gibt auch mal Streit, aber wir lieben uns von ganzem Herzen, und am Ende klappt es einfach zum Glück sehr gut.
F: Wie wichtig ist Mode, und was bedeutet sie euch persönlich?
RK: Am Ende geht es uns gar nicht um Mode im klassischen Sinne, sondern um schöne Dinge. Wir erfreuen uns einfach so sehr an besonderen Sachen, das kann aber auch ein schönes Glas sein, ein Buch, eine Landschaft oder ein tolles Essen. Wir begeistern uns gerne für Dinge, und dazu gehört natürlich auch Mode, weil wir sie tragen und sie dadurch unterstreicht, wer wir sind.
F: Welche Lektionen habt ihr während eurer Arbeit in der Modebranche gelernt?
NK: Die wichtigste Lektion für uns ist unabhängig von der Branche. Nämlich, dass man alles schaffen kann, wenn man daran glaubt, offen ist und es mit Freude tut. Und dass sich alles viel leichter anfühlt, wenn man Freude, aber auch Leid teilen kann. Wir sind einfach wahnsinnig froh, diesen Weg gemeinsam gehen zu können und jetzt auch so ein tollen Team an unserer Seite zu haben.
F: Wo enttäuscht euch die Modebranche, und inwiefern überrascht sie euch?
NK: Das vergangene Jahr hat deutlichen Einfluss auf die Perspektive und Haltung der Modebranche genommen. Ein positiver Nebenaspekt der Corona-Pandemie ist, dass die grundsätzlichen Strukturen der schnelllebigen Modeindustrie in Frage gestellt wurden. Wir wünschen uns einfach, dass gerade grosse Labels mehr Verantwortung übernehmen und nicht immer ausschliesslich den Profit, sondern Mensch und Umwelt an erste Stelle setzen. Mit tollen Produkten und Ideen kann immer Umsatz generiert werden, aber einfach nicht um jeden Preis. Ausserdem herrschte bisher ein intensiver Druck, ein schneller Wechsel zwischen Jahreszeiten und Kollektionen, bei dem die Zeit verloren geht, Feedback anzunehmen und Veränderungen umzusetzen. Wir glauben, dass genau in der heutigen Zeit eine Chance liegt, dies zu tun. Wir sind schon immer unseren Weg gegangen, haben Kollektionen entworfen, die saison- und trendunabhängig sind, die Frauen unterschiedlicher Kleidergrössen gleichermassen ansprechen und die mit viel Herzblut produziert werden.
F: Gibt es Styling-Sünden?
RK: Solange man sich in seiner Kleidung und dem Look wohlfühlt, kann es keine Sünden geben. Wir stylen unsere Looks gerne ausdrucksstark, kombinieren verschiedene Muster und kontrastreiche Farben und ergänzen diese mit opulenten Accessoires. Man sollte keine Angst vor zu viel Prints oder Farben haben, denn mehr ist bei uns mehr.
F: Welches sind eure liebsten Floh- und Vintagemärkte?
RK: Da gibt es wirklich viele, von Porte de Clignancourt in Paris bis zur Strasse des 17. Juni in Berlin, aber auch kleinere Märkte von Brüssel bis North Carolina oder Boston – vor uns ist wirklich kein Flohmarkt sicher, und es gibt immer ein Schätzchen zu heben.
F: Wieviel Arbeit steckt in einem eurer Teile?
RK: Jedes Stück wird mit viel Hingabe und Liebe zum Detail kreiert. Von der Wahl und Komposition der Stoffe und Prints bis hin zum Annähen des letzten Knopfes. Wir sehen unsere Kreationen wir Kunstwerke, und die Kundin, die RIANNA + NINA trägt, kann sich sicher sein, dass es nichts Vergleichbares da draussen gibt. Und genau das gibt ein wirklich einzigartiges Gefühl.
F: Der ultimative Tipp beim Feilschen?
NK: Einfach sympathisch sein, einen kleinen Plausch halten und nicht ausschliesslich darauf aus sein, etwas billig zu bekommen. Wenn ein Preis fair ist, muss auch manchmal gar nicht gefeilscht werden. Es geht wie bei allem im Leben um Fairness, und es sollte natürlich auch Spass machen.
F: Was ist euer bester Vintage-Fund?
NK: Wirklich kostbar sind die Vintag-Schmuckstücke, die Rianna seit vielen Jahren kuratiert. Jedes Mal, wenn sie einen neuen Fund im Atelier zeigt, sind wir sprachlos. Die kleine Selektion, die wir auch über unseren Online Shop vertreiben, umfasst Original Runway- und Haute-Couture-Stücke von Yves Saint Laurent über Valentino bis Chanel – eine wahre Schatzkammer.
„Wenn ein Preis fair ist, muss auch manchmal gar nicht gefeilscht werden.“
F: Was kauft ihr neu und was immer secondhand?
NK: Das lässt sich so pauschal kaum sagen. Neu definitiv Unterwäsche, aber ansonsten leben, lieben, lesen und tragen wir gerne Dinge aus zweiter Hand.
F: Wie sieht euer Kleiderschrank aus?
NK & RK: Bunt!
F: Was ist euer liebster Ort in eurem Zuhause?
RK: Ich kann mich schwer entscheiden, da mein gesamtes Zuhause meine bunte Welt ist und ich mich generell sehr wohl dort fühle. Meine Küche definitiv, da ich sehr gerne für Freunde und Familie koche. Aber auch mein Wohnzimmer voller Kunst, Bilder meines Sohnes, mein Sofa mit all den bunten Kissen und meinen grünen Rattan-Esstisch liebe ich sehr.
NK: Wir sind gerade in ein schönes, altes Haus mit Garten gezogen und lassen es zu unserem Zuhause wachsen. Es ist nicht so bunt wie bei Rianna, aber auch ein Ort voller Erinnerungsstücken, die wir auf unseren Reisen gesammelt haben.
F: Woran scheitert unsere Gesellschaft?
NK: Eine unserer wichtigsten Eigenschaften, die wir teilen, ist es, optimistisch zu sein. Daher wollen wir unsere Gesellschaft nicht als scheiternd betrachten. Uns sind auf unserem bisherigen Weg so viele tolle, unterschiedliche Menschen begegnet, die uns immer wieder zeigen, wie viel man bewegen kann, und dass es Hand in Hand am Besten funktioniert.
F: Von welchem Abenteuer träumt ihr?
RK: Gerade von allem möglichen, da wir ja schon viel zu lange zuhause festsitzen. Normalerweise gehört das Reisen zu unserem Alltag, und das vermissen wir sehr. Zum Glück ist diese gemeinsame RIANNA + NINA-Reise an sich schon ein grosses Abenteuer, und es ist ein Trost, dass wir unsere Kleider in die ganze Welt schicken können. Gerade haben uns wieder Fotos aus Hongkong, New York, Dallas oder Kuwait erreicht, und das macht uns einfach wahnsinng stolz.
F: Was gönnt ihr euch?
NK: Immer wieder gutes Essen. Es geht sehr wenig über Restaurantbesuche mit Familie und Freunden, Abende, an denen viel gelacht, getrunken und gegessen wird. Das lieben wir!
RIANNA + NINA
Rianna Kounou and Nina Knaudt lernen sich bei dem kennen, was später ihr Business-Modell werden soll: beim Stöbern nach Vintage-Schätzen. 2014 eröffnen die beiden ihre gemeinsame Boutique in Berlin – mittlerweile verkaufen sie ihre Fundstücke und eine eigene Kollektion in die gesamte Welt. RIANNA + NINA, das sind Rianna, die früher im Theater- und Kostümdesign gearbeitet hat, und Nina, die sich ihre Sporen von Paris bis New York bei Brands wie Cartier, Etro oder BMW abverdient hat. Gemeinsam suchen sie rund um die Welt nach Vintage-Stoffen und Designs, die sie mit ihrem Label zu neuem Leben erwecken können.