Colmar sorgt auf schneeweissen Skipisten für Farbkleckse: Doch eigentlich hat das Label gar nicht mit Skibekleidung begonnen, sondern mit Stulpen aus Filz. Mittlerweile führt Giulio Colombo das italienische Familienunternehmen in der dritten Generation. Grund genug, Colmars CEO ordentlich auf den Zahn zu fühlen.
FACES: Wie fühlt es sich an, täglich mit seiner Familie zusammen zu arbeiten?
Giulio Colombo: Es ist kein grosser Unterschied zur Arbeit in einem anderen Unternehmen, da jeder von uns seine Verpflichtungen hat und seine eigenen Teams. Der Vorteil besteht darin, dass die Beziehung zueinander sehr stark ist und wir gemeinsam dieselbe Vision teilen.
F: Wollten Sie schon immer Teil des Familien-Unternehmens sein?
GC: Ich bin innerhalb der Atmosphäre von Colmar aufgewachsen. Als es dann darum ging, beruflich eine Richtung einzuschlagen, fiel mir die Entscheidung sehr leicht.
F: Was ist das Tolle daran, in der Mode-Branche zu arbeiten?
GC: Es motiviert mich jeden Tag von Neuem. Mit Mode zu arbeiten, bedeutet, täglich mit neuen Menschen in Kontakt zu kommen, neue Ideen auszutauschen und Trends zu entdecken. Sich täglich mit dieser Recherche auseinanderzusetzen, ist nicht nur kreativ, sondern extrem erfüllend.
F: Gibt es auch eine Kehrseite dieser „Mode-Medaille“?
GC: Abgesehen vom Enthusiasmus kann unsere Arbeit extrem stressig sein. Wir müssen ständig up-to-date sein und können es uns nicht leisten, eine Pause zu machen.
F: Wie definieren Sie persönlich guten Stil?
GC: Coco Chanel hat einmal gesagt: „Fashion is made to go out of style.“ Meiner Meinung nach zeigt sich Stil darin, dass man sich in dem wohl fühlt, was man trägt, und nicht zwangsläufig dem nächsten Trend hinterherjagen muss.
F: Welchem Accessoire oder Kleidungsstück können Sie nicht widerstehen?
GC: Der Daunenjacke natürlich. (lacht)
F: Welche Mode-Regel ist Ihrer Meinung nach totaler Blödsinn?
GC: „Wenn du nichts anzuziehen hast, dann trag Schwarz.“ Ich glaube, Schwarz zu tragen, hat mit mangelnder Kreativität zu tun.
F: Verraten Sie uns den besten Ratschlag, den Sie von Ihrem Vater erhalten haben?
GC: Mein Vater hat mir gesagt, ich solle eine Entscheidung gut überdenken und mich danach daran halten, ohne mich von der Meinung anderer beeinflussen zu lassen.
F: Was ist Ihre erste Erinnerung an Mode?
GC: Das erste Mal kam ich als Kind mit Mode in Berührung, als ich meine Mutter dabei beobachtete, wie sie einen massgeschneiderten Anzug trug. Da realisierte ich, was für eine überaus elegante Frau sie war.
F: Wie fassen Sie Colmars Geschichte in wenigen Wörtern zusammen?
GC: Colmar ist die Leidenschaft einer Familie für Sport, Stil, Innovation und Erbe.
F: Welche Geschichte hinter dem Label Colmar soll jeder kennen?
GC: Der Name Colmar ist die Zusammensetzung von Vor- und Nachname des Gründers Mario Colombo. Mein Grossvater gründete das Unternehmen 1923 in Monza gemeinsam mit seiner Frau Irma. Sie haben damit begonnen, Filz-Stulpen zu produzieren – Monza war damals so bekannt für seinen Filz und seine Hüte. Während des Zweiten Weltkriegs stellte Colmar dann Bekleidung her, und in der zweiten Hälfte der 40er Jahre kam mit Marios Söhnen (meinem Vater Angelo und meinem Onkel Giancarlo) auch zum ersten Mal Skibekleidung dazu. Heute führe ich gemeinsam mit meinem Bruder Carlo und meinem Cousin Mario das Unternehmen, und die vierte Generation ist ebenfalls bereits mit an Board: mit Stefano, Marios Sohn.
F: Was ist Colmars grösster Meilenstein?
GC: Die Leidenschaft Colmars für Sport und Stil hat über die Jahre zu zahlreichen Innovationen geführt. Die spektakulärste ist wohl die Erfindung der ersten aerodynamischen Ski-Jacke aus gemischtem Stretch zu Beginn der 50er Jahre. Zum ersten Mal war es möglich, eine passgenaue Ski Jacke zu kreieren – ein Meilenstein für Sport und Mode und das bis heute.
F: Was macht italienische Mode aus, und weshalb ist das Label „Produziert in Italien“ nach wie vor so viel Wert?
GC: Italienische Mode hat Klasse, und „Made in Italy“ ist ein Synonym für Qualität, Glaubwürdigkeit, Erfahrung, Tradition und Vertrauen.
F: Was können Italiener besser als andere Menschen, wenn es um Mode geht?
GC: Italien ist die Wiege der Kunst und Ästhetik – und das seit den alten Zeiten. Stil, Handwerkskunst und Qualität sind die direkten Reflexionen dieser riesigen Tradition, die Italiener so wunderbar verkörpern und ausdrücken können.
F: Wie unterscheiden sich italienische Konsumenten von anderen Europäern?
GC: Der Italiener ist wahrscheinlich etwas trendaffiner, wobei andere Europäer eher auf Qualität und Performance achten.
F: Casual friday – ein Konzept, das Sie beherzigen?
GC: Wie sich die Menschen heute kleiden, hat sich drastisch verändert. Das persönliche Wohlgefühl führt uns dazu, uns jeden Tag casual zu kleiden und nicht nur an einem Freitag.
F: Haben Sie ein Outfit im Schrank, für das Sie sich schämen müssen?
GC: Ehrlich gesagt, schäme ich mich nie, wenn ich etwas trage, das ich mag.
F: Inwiefern beeinflussen der Klimawandel und die anhaltende Nachhaltigkeitsdiskussion Ihre Arbeit?
GC: Die Textil- und Modeindustrie hat den grössten negativen Einfluss auf die Umwelt. Ich empfinde es als unsere Pflicht, jeden nur erdenklichen Schritt zu unternehmen, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Das Thema ist riesig, aber wir versuchen täglich in die richtige Richtung zu arbeiten, indem wir nachhaltige Rohmaterialien verwenden, recycelt oder wiederverwendbar, indem wir Materialien produzieren, die länger halten, und Produktionsprozesse überarbeiten und optimieren. Jeder von uns muss sich verbessern – auch bei ganz alltäglichen Dingen.
F: Welche Rolle spielt Mode in der Gesellschaft?
GC: Die Mode hat sich in den vergangene Jahren extrem verändert. Heute geht es nicht nur um Kleidung, sondern um Essen, Musik, Kunst und so weiter; alles verändert sich, jeden Tag.
F: Könnten Sie ohne Mode leben?
GC: Ja, natürlich.
F: Befinden sich Kleidungsstücke in Ihrem Kleiderschrank, die Sie gerne weitergeben wollen?
GC: Ich bin so sehr in die Kreation der Kollektionen involviert, dass in meinem Kleiderschrank viele Teile von Colmar hängen, und ich würde sie alle gerne weitergeben.
F: Wo kaufen Sie in Mailand ein?
GC: In Mailand gibt es sehr viele interessante Geschäfte. Ich liebe One Block Down, Antonia und die Geschäfte im Viertel Brera, auch das Nike Lab in der Moscova Strasse gefällt mir sehr.
F: Was mögen Sie an Mailand, und was gefällt Ihnen gar nicht?
GC: Mailand ist eine Metropole und bietet in Sachen Jobs, Mode, Kunst und Events so viele Möglichkeiten. Mailand ist eine sehr belebte Stadt, die extrem schnell wächst. Das bedeutet allerdings auch, dass man sich mit der Schnelllebigkeit und dem Lärm arrangieren muss.
F: Was trauen Ihnen andere nicht zu?
GC: Ich habe schon immer im kreativen Sektor des Unternehmens gearbeitet. Aus diesem Grund traut mir wohl keiner zu, auch mit Zahlen jonglieren zu können.
F: Welche Person verehren Sie am meisten?
GC: Da gibt es keine bestimmte Person, aber ich bewundere meistens die ganz jungen Leute, die trotz der schwierigen Zeiten in der Lage sind, innovative Ideen und erfolgreiche Unternehmen aufzubauen. Ich glaube an die neuen Generationen.
F: Worüber machen Sie sich zu viele Gedanken, und worüber sollten Sie mehr nachdenken?
GC: Ich denke wohl zu sehr über heute nach und sollte besser damit beginnen, an die Zukunft zu denken.
F: Wonach sind Sie süchtig?
GC: Ich bin süchtig nach Sport.
F: Was ist das Erste, was Sie morgens tun und das Letzte, bevor Sie abends zu Bett gehen?
GC: Ich mag es, meinen Tag morgens schon zu planen – egal, ob es ein Arbeits- oder ein freier Tag ist. Bevor ich schlafen gehe, schalte ich mein Hirn aus, um alle Probleme draussen zu lassen, die so über den Tag auf mich eingeprasselt sind.
F: Was sollen sich Menschen über Sie erzählen?
GC: Ich habe schon immer versucht, Respekt für das zu bekommen, was ich kann, und nicht für andere Dinge.
F: Welcher Song inspiriert Sie?
GC: Jazz ist meine Leidenschaft – alles von Bebop bis Cool.
F: Würden Sie in einem anderen Jahrzehnt leben wollen?
GC: Nein gar nicht. Ich bevorzuge es, im Hier und Jetzt zu leben.
F: Was würden Sie ändern wollen, wenn man Ihnen die Macht dazu gäbe?
GC: Die Gesundheit unseres Planeten hat absolute Priorität, und ich würde mir wünschen, dass alle Regierungen dieses Problem mit dem nötigen Ernst angehen würden. Es braucht konkrete Schritte, um folgenden Generationen eine bessere Umwelt zu hinterlassen.
F: Wo gehen Sie am liebsten Skifahren?
GC: Generell liebe ich die Alpen und ihre fantastischen Resorts. Normalerweise fahre ich nach Bormio, was von Mailand aus sehr einfach zu erreichen ist und tolle Pisten bereit hält.
F: Dürfte Hollywood Ihr Leben verfilmen?
GC: Eines Tages möchte ich selbst eine Saga über unser Unternehmen schreiben.
F: Wie oft schauen Sie während eines Tages auf Ihr Smartphone?
GC: So wenig wie möglich.
F: Sie dürfen eine Person zum Dinner einladen, wer ist es?
GC: Den Musiker Chet Baker.
F: Welchen Rat geben Sie jüngeren Generationen?
GC: Seid kreativ in allem, was ihr tut, und folgt dem, was ihr liebt. Kreativität und Leidenschaft sind die Schlüssel zum Erfolg.
Colmar
Guten Filz bekommst du in Monza, weiss zu Beginn der 20er Jahre jeder Italiener. Hier arbeitet Mario Colombo für einen Filzhersteller, bevor er 1923 mit seiner Frau sein eigenes Unternehmen gründet. Sein Steckenpferd: Arbeitskleidung aus richtig robustem Material. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wagen sich die Menschen schliesslich auf Skiern auf die Pisten – und benötigen dafür die passende Kleidung. Letztere bekommen sie von Mario Colombos Mode-Label Colmar, das sich fortan auf Skibekleidung spezialisiert. Moderne Technologien und fortschrittliche Stoffe machen Colmars Ski-Jacken und -Hosen schnell beliebt – die bunten Farben und Fans im italienischen Ski-Team steuern ihr Übriges zum Erfolg bei. Heute führt Giulio Colombo gemeinsam mit seinem Bruder Carlo und seinem Cousin Mario das Familienunternehmen, dessen Sitz sich nach wie vor in Brianza, zwischen Mailand und Como, befindet.