Indonesien beheimatet eine Fülle prächtiger Wälder und Feuchtgebiete. Doch Jahr für Jahr werden sie von der Palmölindustrie zerstört – und die Regierung drückt beide Augen zu. Ein Zustand, der Rusmadya Maharuddin, Campaigner von Greenpeace Indonesien, zutiefst beunruhigt.
Interview: Danielle Müller, Greenpeace Schweiz
Danielle Müller: Alle Jahre wieder brennen in Indonesien Wälder und Feuchtgebiete. Warum?
Rusmadya Maharuddin: Dahinter steckt die Palmölindustrie: Sie setzt Wälder und Sumpfgebiete in Flammen, um an ihrer Stelle gewinnbringende Ölpalmen anzupflanzen. Kostbare Ökosysteme müssen so Jahr für Jahr großflächigen Monokulturen weichen.
DM: Die indonesische Regierung verpflichtete sich 2018 dazu, zwei Millionen Hektaren Moore wiederherzustellen. Dazu verbot sie das Brandroden von Wald und Sumpfgebieten. Was hat sich seither verändert?
RM: Das Waldmoratorium ist ein gutes Beispiel für die indonesische Regierungspropaganda zum Thema Waldschutz. Es klingt zwar imposant, hat aber nichts verändert. Schon drei Jahre zuvor, nach den verheerenden Bränden 2015, machte Präsident Jokowi große Versprechen. Die Folge waren lediglich stümperhaft formulierte und mangelhaft überprüfte Gesetze. Das belegt auch der Bericht von Greenpeace Südostasien, „Burning Issues: Five Years of Fire“ („Brennende Probleme: Fünf Jahre Feuer“). Laut Report wurde in Indonesien zwischen 2015 und 2019 eine Fläche von 4,4 Millionen Hektaren Land abgebrannt. Das übertrifft die Größe der ganzen Schweiz! Von Wiederherstellung kann also keine Rede sein.
DM: Wieso lässt die Regierung die Palmölindustrie einfach gewähren?
RM: Die Regierung lässt die Konzerne nicht bloß gewähren, die Palmölindustrie konnte die Gesetze der vergangenen Jahrzehnte praktisch selber festlegen. Das jüngste Beispiel ist das Omnibus-Gesetz, das die Regierung unter totaler Ausgrenzung von Bevölkerung und Umweltorganisationen beschloss. Dieses Gesetz wischt den ohnehin schon geringen Umweltschutz beiseite. Es droht, die verbliebenen Wälder und Sumpfgebiete Indonesiens zu vernichten und indigene Gemeinschaften zu verdrängen. Bei der Ausarbeitung wurde lediglich die Palmölbranche hinzugezogen. Als gäbe man einem hungrigen Fuchs die Schlüssel zum Hühnerstall.
DM: Die Regierung schützt die eigene Bevölkerung also nicht?
RM: Nein. Dabei gefährden die Brände beispielsweise Millionen indonesische Kinder, wie zahlreiche Gesundheitsstudien nachweisen. Sie zeigen langsameres Wachstum auf, niedrigere kognitive Fähigkeiten – und Tausende sterben bereits als Fötus. Statt die Bevölkerung zu schützen, spielt die Regierung die gesundheitlichen Auswirkungen der Brände sogar herunter. Ein eindrücklicher Beleg hierfür liefert der Greenpeace-Bericht „Burning Up“ („Verbrennen“) aus dem Jahr 2020: Laut Schätzungen von EpidemiologInnen kostete die durch die desaströsen Brände 2015 ausgelöste Luftverschmutzung mehrere tausend Menschen das Leben. Die Regierung aber bestätigte offiziell nur 24 Tote. Der Bericht wirft zusätzlich Bedenken auf, dass der anhaltende Smog aufgrund der Brände das Risiko einer Covid19-Infektion erhöhen und deren Krankheitsverlauf verschlechtern könnte. Und trotzdem beschloss die Regierung im Oktober 2020 das Omnibus-Gesetz, das jeglichen Schutz vor Brandrodungen zunichte macht.
Die Auswirkungen des Palmölindustrie auf die Natur
DM: Welche Auswirkungen hat der intensive Palmölanbau auf Indonesiens Natur?
RM: Die Entwaldung hat die Tieflandwälder in Sumatra und Kalimantan verwüstet und bedeutenden Lebensraum für Tiger, Elefanten, Nashörner, Orang-Utans und andere gefährdete Arten zerstört. WissenschaftlerInnen schätzen, dass in Indonesien heute nur noch rund 400 Sumatra-Tiger in freier Wildbahn leben, 1970 waren es noch etwa 1’000. Auch die Anzahl Orang-Utans in Borneo ging zwischen 1999 und 2015 um über die Hälfte zurück. Hinzu kommen die Emissionen, die durch das Trockenlegen der Sumpfgebiete freigesetzt werden. Moore sind hochkonzentrierte Kohlenstoffspeicher, die im Schnitt zehn Mal mehr CO2 binden als andere Ökosysteme. Ohne ihren Schutz und ihre Wiederherstellung ist die Eindämmung der Klimaerhitzung fast unmöglich.
DM: Die Folgen des Palmölanbaus sind kein Geheimnis. Und trotzdem steigt die Nachfrage weltweit an. Was bedeutet das für Indonesien?
RM: Die große Nachfrage treibt die Ausweitung von Plantagen weiter voran. Heute enthält die Hälfte der Produkte im Supermarkt Palmöl. Auch die Produktion von Biokraftstoff aus pflanzlichen Rohstoffen wie Palmöl hat in den vergangenen Jahren rapide zugenommen. Indonesien fördert die Herstellung, und auch die EU unterstützt sie. Das kann aber nicht die Lösung des Problems rund um fossile Brennstoffe sein. Die Regierungen müssten weltweit die Ausbeutung natürlicher Ökosysteme stoppen. Es gibt also noch viel zu tun.
DM: Kann nachhaltig produziertes Palmöl etwas ändern?
RM: Ja, denn es ist möglich, Palmöl zu gewinnen, ohne Wälder und Moore zu zerstören. Millionen indonesischen Kleinbauernfamilien gelingt das schon heute. Die Lösung wäre, dass auch große Konzerne ihr Palmöl ausschließlich von solchen verantwortungsbewussten ProduzentInnen kauften. Eine landesweite, nachhaltige Produktion gelingt nur, wenn Unternehmen die volle Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen. Treiben sie aber weiterhin die Zerstörung der Ökosysteme voran, kommen die Brände in Indonesien nicht zum Erlöschen.
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Greenpeace erklärt das Problem mit dem Palmöl. Hier liest du die ganze Geschichte.
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Teaserfoto & Fotos: © pa picture alliance (dpa)