„Yes, we can“, brüllen 750 junge Männer in schwarzen Erfolgsanzügen durch die Arena. „Yes, I am a person of action“, jauchzen sie mit geschwellter Brust und Dollarzeichen in den Augen ihrem Mentor entgegen. Selbiger gibt sich cool, um anschließend auch den letzten seiner Jünger mit der alles entscheidenden Frage von den Stühlen zu reißen: „Wollt ihr wirklich, WIRKLICH reich werden?“ – „Yeeeeees!“, tobt die Menge und macht den Lärm kaum noch aushaltbar. Wie gern würde sich Jordan Belfort jetzt wohl einen runterholen. So wie damals, im Glasaufzug der Wall Street. Doch diese Zeiten sind vorbei. Belfort hat geschworen, gebüßt und gesessen. Nach vier Jahren Knast, Millionen-Verlusten und Drogenentzug soll nun alles anders werden. Seriöser. Doch seien wir ehrlich: Ein Wolf bleibt ein Wolf, egal ob er Tiger tötet. Oder Schafe. Jetzt sind die Schafe dran. Sie klatschen immer noch. Ihr Investment von 3’000 Euro für den phrasenschweren Motivations-Vortrag, mit dem der Ex-Börsenmogul um die Welt tourt und ganze Konzertsäle füllt, hat sich aus ihrer Sicht gerechnet. Kritiker verhöhnen die Veranstaltung zwar als eine Mischung aus Butterfahrt und Gottes- dienst. Doch seine Fans lassen sich von solchen Ungläubigen nicht beirren. Sie fühlen sich nach Belforts Ansprache stärker, hoffnungsvoller und ihrer ersten Million quasi schon zum Greifen nah. Dass diese treuen Zuhörer ihr emotionales Hoch einem verurteilten Finanzbetrüger schulden, stört niemanden. Im Gegenteil: Irgendwie sehen sich alle schon selbst dabei, bündelweise Geldscheine von einer Yacht zu schmeißen. So wie Leo DiCaprio, der in „The Wolf of Wallstreet“ Jordan Belfort mimt. Die Geschichte dazu hat der ehemalige Aktienhändler nicht nur selbst durchlebt, sondern auch selbst geschrieben. Im Knast. Und anschließend millionen-schwer verkauft. Buch und Film wurden gleichermaßen zum Welterfolg. Dass „The Wolf of Wallstreet“ der am häufigsten illegal runtergeladene Film des Jahres 2014 war, macht den echten Wolf übrigens ein bisschen stolz. Und das obwohl sich der ehemalige Millionenbetrüger gern als das Paradebeispiel des „American Dreams“ bezeichnet. Vom Zeitungsjungen über eine Pleite mit einer Fleischfabrik zum Millionär. Ein Weg, der tatsächlich funktioniert, aber offensichtlich nur selten gradlinig verläuft. Und so war es auch bei Belfort erst die juristische und moralische Grauzone, die ihm zu Börsenzeiten nicht nur den Cash, sondern obendrein auch diese rumreiche Aura von Erhabenheit und Coolness gebracht hat. Eigenschaften, mit denen er früher nur ungern hinter dem Berg hielt. Der neue Belfort ist jedoch leiser geworden, glänzt nicht mehr mit Protz und Prostituierten, sondern Reumütigkeit und einem frisch polierten Saubermann-Image. Er predigt vom Glück seiner zweiten Chance und erzählt gern von seinen Kindern, die stolz auf ihren Papa sind. Und: Er arbeitet hart für sein Geld. So weichgespült schwimmt es sich ganz gut auf der neuen Welle zum Erfolg. Doch Hand aufs Herz: Was hier die Säle füllt, ist wohl kaum Jordans jungfräuliche Tugendhaftigkeit. Oder seine fachkundigen Vorträge. Auch das ist eine Tatsache, die vielleicht nicht dem „American Dream“ entspricht. Dafür der Realität. Und nicht zuletzt natürlich auch ein bisschen unserer Faszination für Wölfe.