Jetzt bitte die pastellfarbenen Popcornbecher streng symmetrisch auf die Theke stellen: Wes Anderson hat einen neuen Film im Kino. Zum Start von „The Phoenician Scheme“ blättern wir uns durch den Figurenkatalog eines Regisseurs, dessen Stil nicht nur die Film- sondern auch die Modewelt verzückt. Louis Vuitton, Prada und Fendi haben bereits mit dem Amerikaner kollaboriert. Und insbesondere Alessandro Micheles Anfangszeit bei Gucci war geprägt von Inspirationen aus Andersons Œuvre.
Doch welche Charaktere verdienen unseren Handkuss als die absoluten Königinnen und Könige der Kleiderschränke? Diese Frage wird hiermit endlich, endlich beantwortet.
12. Francis („The Darjeeling Limited“)
Wir kleiden uns fürs Reisen, als würden wir von der Couch zum Kühlschrank gammeln. Doch jedes Mal, wenn ein On-Turnschuh in der Abflughalle wippt, verliert eine Boeing ihre Flügel. Ok, nicht wirklich. Aber „The Darjeeling Limited“ ist auch ein Manifest fürs stilvolle Unterwegs, von den Louis-Vuitton-Koffern bis zu den Anzügen von Marc Jacobs. Und auch wenn wir es nicht zur Nachahmung empfehlen: Jeder Business Casual Dress gewinnt an Faszination, wenn er mit ein paar Bandagen und einem blauen Auge abgerundet wird.

11. Rhett („Hotel Chevalier“)
Das gebrochene Herz eines Mannes ist ein schillerndes Accessoire. Im Kurzfilm „Hotel Chevalier“ trägt es Natalie Portman mit einer Nonchalance, so verwegen wie den Zahnstocher in ihrem Mundwinkel. Für die endgültige Beerdigung ihrer Romanze wechselt sie vom grauen Ulstercoat in einen bananengelben Bademantel. Der eine fängt den Regen von Paris auf. Der andere, vielleicht, die letzten Tränen einer Liebe, die gewesen ist. Bonusmaterial: Die zweitbeste Slow-Motion-Szene in Wes Andersons Filmgeschichte.

10. Boss („Isle of Dogs“)
Zertragenes Sporttrikot, unten ohne und vielleicht noch ein Lederhalsband? Ladies und Gentleboys, wir haben sie gefunden: die perfekte Montur für einen so entspannten wie kinky Sonntagnachmittag. Aber gib bitte nicht uns die Schuld, wenn du so vor die Wohnungstür gehst und von der Sittenpolizei abgeführt wirst, noch bevor du den Aufzug erreicht hast.

9. J.K.L. Berensen („The French Dispatch“)
Wenn Journalistin Rosamond Bernier (1916 – 2016) Vorträge über Kunst abhielt, verblassten deren Subjekte im Glanz ihrer Garderobe. Wes Anderson verneigt sich vor der Stilikone und Gründerin des Magazins L’oeil mit seinem Liebesbrief an den Printjournalismus. In „The French Dispatch“ überstrahlt Tilda Swinton mal wieder alle Normalsterblichen in ihrem Orbit. Ganz besonders im orangenen Sonnengöttinnen-Kaftan, vor dem selbst Demis Roussos in die Knie gehen würde, um dessen Saum zu küssen.

8. Mr. Fox („Fantastic Mr. Fox“)
In Krawatte und Kurzarmhemd außerhalb der Bürozeiten nahm Mr. Fox den Office Core Trend 15 Jahre vorweg. Zudem warten wir noch immer darauf, dass jemand den braunen Cordanzug smarter mit einem Poloshirt kombiniert. Und dann noch zwei Ähren in der Brusttasche statt einer Blume im Knopfloch? Ganz schön, äh, ausgefuchst.

7. The Chief Steward („The Darjeeling Limited“)
Er kontrolliert die Fahrkarten im Darjeeling Limited, doch in unserem Style Train sitzt Schauspieler Waris Ahluwalia in der Führerkabine. Seiner farbenfrohen Uniform setzt er als Chief Steward eine Strenge entgegen, für die man sonst mit einem Lineal auf ausgestreckte Finger schlagen muss. Das Highlight des Ensembles, der maritim gestreifte Dastar, designte Ahluwalia selbst. Ein Klacks für den Mann, der das Schmucklabel House of Waris gründete und von der Vanity Fair einst auf die Liste der bestgekleideten Männern gewählt wurde.

6. Sister Liesl („The Phoenician Scheme“)
The Catholics are so back, baby! Leo XIV wird zum Woke Pope II gewählt und Sister Liesl rockt das Ordenskleid himmlischer als Lady Gaga, Chappell Roan und Rihanna. Doch was die Aufmachung durch modische Himmelspforten befördert, ist der Kontrast zwischen dem weißen Habitus und den blutroten Lippen. Der türkise Eyeshadow schafft zudem einen Blick, der Meere spalten könnte. Newcomerin Mia Threapleton, Tochter von Kate Winslet, schreibt mit ihrem ersten großen Auftritt gleich ihr eigenes Kapitel in Wes Andersons Stilbibel.

5. Pelé dos Santos („The Life Aquatic with Steve Zissou“)
Die von Meeresforscher Jacques Cousteau abgeschaute Team-Zissou-Uniform wird von ihren TrägerInnen unterschiedlich interpretiert: Von Klaus Daimler (Willem Dafoe) mit sportlichen Shorts, von Vladimir Wolodarsky (Noah Taylor) im Mechaniker-Kittel und mit Teashade-Sonnenbrille oder von Annie-Marie Sakowitz (Robyn Cohen) mit einer HR-technisch höchst problematischen „Tits Out Policy“. Doch keiner trägt das babyblaue Ensemble und den rurbinroten Beanie entspannter als On-Board-Bossa-Nova-Jukebox Pelé dos Santos, gespielt von Seu Jorge im Retro-Poloshirt und mit wasserfester Wandergitarre.

4. Eli Cash („The Royal Tenenbaums“)
Eine rigorose Kokainsucht ist zwar keine Voraussetzung, aber definitiv hilfreich, um den Urban Cowboy Look mit genügend Selbstvertrauen durchzuziehen. Risiken und Nebenwirkungen sind das Tragen von Fransenjacken, ohne dabei die Arme durch die Ärmel zu stecken sowie das Schreiben schlechter Westernromane. Doch statt Sporen-Machismo umweht Eli Cash die Melancholie einer Marlboro-Man-Beerdigung. Was nicht verwundert, wenn man im Liebesdreieck mit zwei Stiefgeschwistern das fünfte Rad am Planwagen ist.

3. Suzy Bishop („Moonrise Kingdom“)
Suzy Bishop schlägt sich durch die Wildnis, als wäre sie Emily in Paris. In unserem Style-Poker sticht ihr Beetroot-Beret die Zissou-Beanies aus, erst recht in Kombination mit dem Chanel-but-not-really-Kleid und seinem Peter-Pan-Kragen. Ein extra Pfadfinderinnen-Abzeichen verdient ihr rosafarbener Mantel mit Cape. Dieser verleiht Suzy allem Yé-Yé-Vibe zum Trotz die Autorität eines englischen Nachtwächters. Ach, und bitte tragen wir diesen Sommer doch endlich Ferngläser mit der Selbstverständlichkeit einer Handyschnur.

2. M. Gustave („The Grand Budapest Hotel“)
Höchste Zeit, jene Frau zu erwähnen, ohne deren Vision diese Liste ziemlich kurz wäre: Milena Canonero, Andersons Kostümbildnerin Numero Uno. Die Italienerin ist eine Hollywood-Legende und gewann für ihre Arbeit vier Oscars – so auch für „The Grand Budapest Hotel“. Prada und Fendi lieferten zwar auch Looks und Luggage, doch sind es Canoneros Entwürfe, die fünf Sterne verdienen. Ihre intensive Farbwahl verwandelt die sterile Concierge-Uniform von Monsieur Gustave in ein märchenbuntes Superheldenkostüm.

1. Margot Tenenbaum („The Royal Tenenbaums“)
Nerzmantel, Tenniskleid und so viel Eyeliner, um damit die Stadtgrenzen von New York City nachzuzeichnen: Margot Tenenbaum hat mehr Style im abgehackten Finger als Hipster-Hotbed Williamsburg es jemals im ganzen Quartier hatte. Doch selbst ein Hermès Birkin Bag steckt den Weltschmerz vom ehemaligen Wunderkind nicht weg. Vielleicht ist Margot deshalb zur Schutzheiligen und Stilikone für all jene Frauen geworden, die sich stets am falschen Ort fühlen; Please don’t confront me with my failures, I had not forgotten them.

Trailer zu „The Phoenician Scheme“ auf YouTube.